Söhne der Erde 22 - Flug der Verlorenen
meisten stehen wie auf dem Präsentierteller in einer Reihe.«
Jay Montini biß die Zähne zusammen.
Auf dem .Rücksitz des Gleiters hatte sich Beryl von Schun aufgerichtet. Sein Gesicht war bleich. Er wußte, daß er selbst keine Hilfe sein würde, daß er keine drei Schritte auf eigenen Beinen gehen konnte. Aber in den Augen seiner Begleiter las er die Entschlossenheit, nicht tatenlos zuzusehen, wie ihre Freunde umgebracht wurden.
»Also los!« sagte Montini gepreßt. »Wir haben immerhin zwei Lasergewehre. Da wir so oder so in die Ortung geraten werden, bleibt uns nichts übrig, als den Gleiter in der verdammten Senke zu landen und einfach loszuschlagen. «
Aussichtslos, dachte Beryl.
Aber er wußte, daß er nicht anders gehandelt hätte. Mühsam stemmte er sich hoch.
»Laßt mich ans Steuer«, ächzte er. »Ihr werdet schneller sein, wenn ihr die Waffen schon schußbereit habt.«
Die anderen halfen ihm in den Vordersitz.
Für die Steuerkonsole brauchte er nur seine Hände. Die Kuppel ließ er offen. Alles würde auf Schnelligkeit ankommen. Und die Chance war minimal. Eine Chance, die vielleicht überhaupt nicht existierte, die sich die Männer nur einbildeten, weil sie es niemals fertiggebracht hätten, sich zurückzuziehen, während ihre Freunde vor den Mündungen von Lasergewehren standen, um zu sterben.
Nach einem Drittel des Weges geriet der Gleiter in den Ortungsbereich der marsianischen Schiffe.
Beryl jagte das Fahrzeug in selbstmörderischem Tempo zwischen den Steinblöcken hindurch. Die Felsenbarriere verschwamm hinter Hitzeschleiern. Da war die Senke. Schwarze Uniformen, Reflexe auf schußbereiten Waffen...
Zwei Beiboote schraubten sich als drohende Schatten in die Luft.
Abrupt bremste Beryl den Gleiter ab.
»Raus!« zischte er.
Hastig sprangen Mikael und Jay mit den Lasergewehren aus dem offenen Fahrzeug - aber sie ahnten bereits, daß sie scheitern würden.
*
Charru hielt den Atem an.
Er hatte den gedämpften Alarmton im Innern der Boote gehört, ihren überstürzten Start gesehen und die Wahrheit erraten. Aber die Fesseln verurteilten ihn genau wie die anderen zur Untätigkeit. Er konnte nur hilflos dem Verhängnis zuschauen.
Alles ging schnell, unheimlich schnell.
Der verstaubte Gleiter, der mit wahnwitziger Geschwindigkeit über einer Bodenwelle auftauchte und brutal abgebremst wurde. Die beiden Gestalten, die aus dem Fahrzeug sprangen, sich am Boden duckten, die Lasergewehre hoben. Jay Montini und Mikael! Jay riß den Kopf hoch, starrte zu den beiden Booten hinauf. Ein Fingerdruck des Piloten, und die Schockstrahler würden den Gleiter mitsamt den beiden Männern atomisieren. Sie wußten es. Sie mußten es von Anfang an gewußt haben, sie begingen praktisch Selbstmord.
»Nicht!« wollte Charru schreien, doch statt dessen grub er nur die Zähne in die Unterlippe.
Jay und Mikael würden im Kampf sterben, schnell, ohne die Qual des Wartens, ohne den endlosen Augenblick im Angesicht des Hinrichtungskommandos und die Todesangst, gegen die niemand gefeit war. Mit dem Mut der Verzweiflung versuchten die beiden Männer, ihre Waffen auf die marsianischen Soldaten zu richten. Im gleichen Augenblick kippten die auf der Stelle schwebenden Beiboote leicht ab, und für zwei Sekunden erklang ein durchdringendes Zischen.
Nicht die Schockstrahler, begriff Charru sofort.
Die Marsianer setzten Betäubungswaffen ein, vielleicht aus Furcht, hier auf engem Raum die eigenen Leute zu gefährden. Mikael taumelte und fiel wie vom Blitz gefällt zur Seite. Der kleine, zähe Jay Montini schaffte es noch, den Abzug des Lasergewehrs durchzuziehen, doch der rotglühende Strahl fuhr wirkungslos in den Himmel. Im nächsten Moment rührte sich auch Jay nicht mehr, und in dem Gleiter sah Charru undeutlich eine Gestalt über der Steuerkonsole zusammensacken.
Sekundenlang empfand er Erleichterung, obwohl ihm nur zu klar war, daß dafür kein Anlaß bestand.
Für Mikael und Jay wäre ein schneller Tod gnädiger gewesen. Aber vielleicht hatten sie noch eine Chance. Die Marsianer würden keine Bewußtlosen liquidieren. Und mit jeder Stunde, die verstrich, wuchs die Wahrscheinlichkeit, daß Conal Nords Intervention den Dingen eine Wendung gab.
Eine Wendung zum Besseren?
Die Hölle eines Internierungslagers statt der Hinrichtung? Charru biß die Zähne zusammen. Er wußte, daß der Tod das bessere Los war. Aber das galt nur für die Opfer - nicht für die anderen, auf denen der Tod ihrer Freunde schwerer lasten
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