Söhne der Erde 22 - Flug der Verlorenen
steht. Das trifft bei den Merkur-Siedlern nicht zu. Wenn heute ihre Liquidierung als Kriegsgefangene legal ist, dann war ihre Verurteilung nach dem normalen Straft recht vor zwanzig Jahren illegal. Und was den Status der Terraner betrifft - auch für die Klärung dieser Frage ist das Hochgericht zuständig und nicht General Kane.«
Simon Jessardin wandte sich langsam um.
Eine steile Falte stand auf seiner Stirn. In den sonst so kühlen Augen lag ein Ausdruck zwischen beherrschtem Zorn und Ratlosigkeit.
»Wie stellen Sie sich das vor, Conal?« fragte er. »Rund hundert Menschen den Prozeß machen?«
»Machen Sie den Anführern den Prozeß«, sagte Nord.
»Und was soll dabei herauskommen? Das Gericht wird sie zum Tode verurteilen.«
»Oder auch nicht. Sie werden einen fähigen Verteidiger haben. «
»Sie?«
»Richtig. Ein völlig legaler Vorgang, da die Jurisprudenz mein Beruf ist. Wenn die Anführer nicht zum Tode verurteilt werden, können wir uns den Rest der Prozeß-Lawine sparen, da auch keiner der anderen ein Todesurteil zu erwarten hat.
Jessardin holte scharf Atem. »Und dann, Conal? Das Urteil würde auf lebenslänglich Zwangsarbeit lauten. Es kann gar nicht anders lauten, weil die Merkur-Siedler ohnehin schon rechtskräftig verurteilt sind und kein Richter auch nur im Traum daran denken wird, die Barbaren jemals auf die Bürger der Vereinigten Planeten loszulassen. Aber wie, um Himmels willen, soll ein Internierungslager beschaffen sein, um diese Menschen auf die Dauer sicher zu verwahren? Weder Drogen noch Mauern bieten dafür eine hundertprozentige Gewähr. Sie würden eine Gefahr sein, so lange sie leben. Es geht nicht, Conal. «
Der Venusier schwieg einen Moment.
Sekundenlang ging sein Blick durch alles hindurch. Die nächsten Worte kamen ihm schwer über die Lippen.
»Es wäre unter Umständen nur eine Frage von einigen Jahren, Simon«, sagte er. »Die Zeit, die nötig ist, um ein neues Projekt Mondstein aufzubauen.«
Der Präsident hob überrascht die Brauen.
»Ein neues Projekt Mondstein?« echote er. »Genau das, wogegen sich die Barbaren am verzweifeltsten wehren? Glauben Sie, Ihr Bruder würde das akzeptieren?«
»Er würde. es akzeptieren müssen. Verurteilte haben bekanntlich keinen Einfluß auf die Frage, wohin man sie deportiert. Außerdem spreche ich von einem Mondstein ohne schwarze Götter, ohne Kriege und Naturkatastrophen, überhaupt ohne Manipulation von außen. Eine Welt, in der die Menschen innerhalb ihrer Grenzen frei leben könnten, ohne daß für uns irgendein Sicherheitsproblem entstände.«
»Das Projekt wäre immens aufwendig! Und ohne jeglichen wissenschaftlichen Nutzen würde es...«
Jessardin brach ab. Conal Nords Gesicht brannte vor Zorn. Er beherrschte sich nur mühsam.
»... zu kostspielig sein?« vollendete er bitter. »Das ist möglich, Simon. Aber das Projekt kann durchaus auch an der Universität Indri entwickelt werden. Ich gebe Ihnen jede gewünschte Garantie dafür, daß der venusische Rat die erforderlichen Mittel bewilligen wird. «
Für einen Moment blieb es still.
Jessardin ging langsam zu seinem Schreibtisch und betrachtete den Computer-Ausdruck mit dem Wortlaut der Protestnote. Der venusische Rat behielt sich »weitere Schritte« vor. Das hieß, daß sich die Verantwortlichen auf dem grünen Gartenplaneten durchaus darüber klar waren, welche Art von Druckmittel der Generalgouverneur anwandte, und daß sie auch in diesem Punkt loyal hinter ihm standen:
Der Präsident atmete tief durch.
»Immerhin ein überlegenswerter Vorschlag«, sagte er mit erzwungener Ruhe. »Was den Prozeß gegen die Hauptschuldigen angeht, brauche ich ein Gutachten der juristischen Fakultät und eine Ratsentscheidung. Aber General Kanes Liquidierungsmaßnahmen kann ich auch im Wege eines Dringlichkeitsbeschlusses stoppen. «
*
Mikael kletterte hastig an der Schräge des Felsens abwärts, verlor auf halber Höhe den Halt und riß sich Overall und Haut über den Knien auf.
Er kümmerte sich nicht darum. Mit wenigen Schritten erreichte er den Gleiter, der mit geöffneter Kuppel im Schatten wartete.
»Und?« fragte Jay Montini knapp.
»Diese Schweine!« knirschte Mikael. »Sie liquidieren Gefangene. Mark, Ken, Charru... «
»Wo?« fiel ihm Jay ins Wort.
Mikael berichtete. »Sichtschutz gegen die Schiffe«, schloß er. »Nur ein paar Beiboote stehen herum. Wahrscheinlich will Kane die Nerven seiner Leute schonen.«
»Wieviele Gegner?«
»Ein Dutzend. Aber die
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