Söhne der Erde 23 - Jenseits Von Tausend Sonnen
Sprach-Decoder mit den Rhinos, die nach der Landung der Fähre näher gekommen waren. Charru übernahm das Gerät wieder und bat eins der kleinen grauhäutigen Wesen, sie zu ihrem Anführer zu bringen.
»Ihr meint den Meister der Düfte? Den Höchsten Künstler?«
Charru nickte zögernd. Die Rhinos kannten keine Krieger, hatten keine verwickelten politischen oder technischen Probleme zu lösen - warum also sollte nicht der virtuoseste Duftkünstler derjenige sein, dem sie den höchsten Rang zuerkannten? Zwei der Grauhäutigen gingen bereitwillig voran. Dane Farr, Mark, Charru und Camelo folgten ihnen. Das unterirdische Transportsystem brachte sie binnen Minuten in die Siedlung.
Das Pilz-Haus, das sie betraten, war weder größer noch für menschliche Begriffe prächtiger als die anderen Gebäude.
Ein junger Rhino stand vor einem quadratischen Tableau voller winziger Duftkissen, die er - wiederum mit Hilfe von Duftimpulsen - aktivierte wie die Tasten eines menschlichen Musikinstruments. Nur daß es sich um Hunderte von »Tasten« handelte und daß die Menschen von der »Musik« nichts wahrnahmen außer einem angenehmen, aber undifferenzierten Geruch - als ständen sie auf einer glühenden Wiese und spürten den Duft zahlloser Blumen, Gräser und Kräuter, ohne die einzelnen Nuancen unterscheiden zu können.
Die Rhinos verharrten entzückt, doch nach wenigen Sekunden siegte die Höflichkeit. Der Decoder übertrug ihre unhörbaren Signale in Worte.
»Der Meister ist nicht zu Hause. Folgt uns bitte! Der Höchste Künstler weilt in der Erhaltungshalle.«
»Erhaltungshalle?«
»Das Refugium unserer Ahnen. Der Ort, an dem wir ihnen begegnen.«
Bei diesen Worten berührte der Rhino erst einen der Beutel an seinem Gürtel und dann einen Punkt an der Wand. Das Geruchssignal setzte einen technischen Mechanismus in Tätigkeit. Der Boden bewegte sich - aber diesmal nicht nur der Boden, sondern auch die Wände. Die Wohnröhre des pilzförmigen Gebäudes glitt wie eine Fahrstuhlkabine abwärts und verschwand im Boden.
Wieder einmal zwängten sich die Menschen in eins der eiförmigen Fahrzeuge. Ein Hangar war das Ziel, von dem ein Dutzend Röhren abzweigten. Seine Stirnwand wurde von einer Art flimmerndem Vorhang gebildet. Erst als sie unmittelbar davorstanden, erkannte Charru, daß es sich um einen beständig herabrieselnden Strom winziger Partikel handelte - Duftträger zweifellos.
Hinter den Rhinos traten sie hindurch, ohne mehr zu spüren als eine Berührung wie von einem leichten Luftzug.
Eine große Höhle öffnete sich den Blicken: still, nur erhellt durch ein phosphoreszierendes grünliches Glimmen, das von den Wänden ausging. Eine Eigentümlichkeit des Gesteins zweifellos, denn die Rhinos brauchten keine Beleuchtung. Etwa zwei Dutzend von ihnen standen oder knieten vor schlanken, aus dem Boden ragenden Säulen. Auf den ersten Blick war ihnen absolut nichts Besonderes anzusehen. Aber die Versunkenheit der Wesen verriet, daß sie einer für sie höchst bedeutsamen Tätigkeit nachgingen.
»Der Ort der Ahnen«, erklärte die Decoder-Stimme. »Hier treffen wir mit ihnen zusammen, wenn sie Ruhe gefunden haben. Hier gehen sie ein in die Unsterblichkeit.«
Charru begriff.
»Erhaltungshalle«, hatte der Rhino gesagt. In den schlanken Röhren wurde das konserviert, was für die Wesen die Identität der Toten ausmachte: ihr persönliches, einzigartiges Geruchsmuster. Hier konnten sie ihren »unsterblichen« Ahnen tatsächlich begegnen, hier hielten sie die Verbindung mit ihnen - auf viel direktere Art, als es bei manchen alten irdischen Religionen der Fall gewesen war.
Ehrfürchtig näherten sich die beiden Rhinos einem der Ihren und warteten, bis er sich aus seiner Versunkenheit löste.
Der »Höchste Künstler« oder »Meister der Düfte«.
Falls er ein Rangabzeichen trug, war es für die Menschen nicht wahrnehmbar. Gemessen trat er durch den Duftpartikel-Vorhang in die Höhle mit den Fahrzeugen, offenbar in der Absicht, die Ruhe der Toten nicht durch das Gespräch zu stören.
»Seid gegrüßt! Wir stehen unseren Gästen stets zu Diensten. Was ihr wünscht, wird geschehen, denn ihr seid Freunde.«
»Ja«, sagte Charru mit leicht belegter Stimme. »Wir sind eure Freunde. Aber nicht alle eure Gäste sind es ...«
Langsam und eindringlich begann er zu erzählen, was er in der Basis der Enzyklopen erlebt hatte.
Er ahnte, daß es schwer sein würde, die Rhinos zu überzeugen. Zu sehr verließen sie sich auf ihre
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