Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes
erfordert Eure Festivität etwas Exotisches? Wir haben …«
»Kann diese Tür verschlossen werden?«
Sein unruhiger Geist hatte Saint-Germain zurück an die Tür getrieben, die er zuwarf, wieder öffnete und dann in ihren Angeln hin und her bewegte.
»An der Innenseite befindet sich ein Riegel.«
»Ein Riegel taugt nicht. Erst recht nicht an der Innenseite. Gibt es zu diesem Schloss etwa keinen Schlüssel, kleine Mamsell? Den man zur Not einstecken könnte?«
»Es gibt einen Schlüssel.«
Allerdings musste dieser erst gefunden werden. Damit wollte sie sich später befassen.
»Wegen der Mäd…«
»Ein weiterer Ausgang. Gibt es einen Zugang zum Gewölbe, ohne dazu das ganze Haus durchqueren zu müssen?«
»Die Abzweigung vor diesem Raum führt direkt zum Hintereingang, Monsieur Le Comte. Unsere Kohlenvorräte und der Weinkeller sind ganz in der Nähe. Wegen der Temperatur. Für den Wein, meine ich.«
Endlich schien er zufrieden gestellt und erging sich in Eigenlob. »Fürwahr, ich bin bemerkenswert. Meine ersten Schritte führten mich hierher und es war eine gute Wahl. Morgen Abend wird meine Kutsche vorfahren. Zu diesem Zeitpunkt sollte niemandem gestattet sein, sich am Hintereingang herumzudrücken. Habe ich mich deutlich ausgedrückt?«
»Diskretion gehört zu den Prioritäten dieses Hauses. Ich werde persönlich darüber wachen, dass sie eingehalten wird.«
»Exakt das wirst du unterlassen, kleine Mamsell. Deine einzige Aufgabe wird darin bestehen, meinen Männern freien und ungestörten Zugang zu gewähren. Nachdem sie hier unten waren, ist niemandem erlaubt – ich betone: niemandem – diesen Raum zu betreten.«
Gelegentlich führten die Grillen ihrer Klientel im Nachhinein zu Beschwerden. Dazu sollte es in diesem Fall nicht kommen. Unerhebliche Kosten verlangten nach Perfektion, und Florine kannte die Gesinnung der Höflinge. Die geringste Verfehlung würde Saint-Germain dazu nutzen, die Zeche zu prellen.
»Mit Verlaub, die Lichter müssen entzündet werden. Geschieht dies zu früh, werden die Duftkerzen heruntergebrannt sein, bevor …«
»Erzähle mir nichts von Duftkerzen, kleine Mamsell.«
Es war eine große Versuchung, ihm die Kladde auf seine silberblonde Perücke zu schmettern. Ohne seine hohen Absätze war seine Größe keiner Erwähnung wert. Auf diesen Absätzen vollführte er eine tänzerische Drehung und ging hinaus.
»Einen Moment noch, Monsieur le Comte. Was ist denn nun mit den Mädchen?«
»Belästige mich nicht mit diesem Firlefanz. Es geht nicht um irgendwelche Dirnen. Sollten wir eine brauchen, wird sie wohl aufzutreiben sein. Spontaneität ist das Gebot der Stunde. Improvisation vereint mit absoluter Kontrolle. Sie sind unerlässlich für einen gelungenen Abend, auf den ich bestehe.« Jäh drehte er sich um, bekam eine ihrer Haarsträhnen zu fassen und zog hart daran. »Merke es dir gut! Niemand betritt das Gewölbe nach dem Eintreffen meiner Leute. Weder eine der Huren in diesem Haus, noch du, noch Madame Chrysantheme. Schreib es in deine Kladde, kleine Mamsell! Das ist ein ganz essentieller Punkt.«
Sobald Saint-Germain ihr den Rücken zukehrte, rieb sie über ihre schmerzende Kopfhaut. Solche Augenblicke machten ihr ihre Pflichten verhasst. Sie schob die lose Haarsträhne hinter ihr Ohr. Essentiell! Wenn sie das schon hörte.
»Möchtet Ihr den Schlüssel bereits jetzt in Verwahrung nehmen, Monsieur Le Comte?«, fragte sie zuckersüß. Da ihr die Antwort bekannt war, konnte sie sich dieses Angebot leisten. Erwartungsgemäß wedelte er mit der Hand in der Luft herum.
»Was soll ich damit? Behalte den Schlüssel, bis es an der Zeit ist, ihn mir zu übergeben. Du in Person wirst dafür einstehen, sollte der reibungslose Ablauf am morgigen Abend gestört werden. Ich verlasse mich auf dich, kleine Mamsell.«
Würdevoll nickte sie. Saint-Germain sollte gar nicht erst in Versuchung geraten, Zweifel an ihrer Verlässlichkeit zu verspüren. Getränkt in den betäubenden Duft seines Hyazinthenparfums folgte sie ihm zurück in das Obergeschoss. Nachdem er sich verabschiedet hatte, sprach sie mit Madame Chrysantheme die Menüfolge ab und traf die ersten Vorbereitungen für ein Ereignis, über dessen konkreten Verlauf sie im Unklaren geblieben war.
Im Gewerbe mit dem Laster konnte Diskretion nicht das oberste Gebot sein. Nicht, wenn man sich die rechte Hand von Madame Chrysantheme nannte und Verantwortung trug. Mit neun Jahren war Florine in das Haus ihrer Dienstherrin
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