Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes
waren hingerissen von Florines Arrangements. Ihre Einfälle erfüllten die höchsten Ansprüche, sie haben meinen Ruf weit über Paris hinausgetragen. Wer den Hof besuchte, machte stets einen Abstecher in mein Etablissement, um später darüber berichten zu können.«
All das hatte eine einzige Nacht zunichte gemacht. Die Züge des Fremden verschwammen vor ihren Augen. Sie senkte die Lider. Eine Träne quoll darunter hervor und rann über ihre Wange. Die Pulsadern, schoss es ihr durch den Kopf, sie würde sie sich aufschneiden, sobald er gegangen war. Aber der Fremde machte keine Anstalten zu gehen.
»Ich habe ein Angebot für dich, Mathilde. Du überlässt mir Florine, und im Gegenzug komme ich für alles auf. Du wirst frei sein in deinen Beschlüssen, was die Instandsetzung deines Hauses angeht. Die Summe ist offen. Bis zum letzten Nachttopf werde ich deine Anschaffungen begleichen.«
Ein unwiderstehliches Angebot war das. Der Fremde bot ihr ein Vermögen für Florine. Soeben noch hatten Kopfschmerzen ihren Blick getrübt, jetzt waren sie gewichen. Dafür zurrte sich ihr Hals zusammen und erschwerte ihr das Atmen. Eine letzte Chance bot sich, sie musste nur zugreifen – und auf Florine verzichten. Sie widerstand dem Drang zu nicken. Sie hatte ohnehin schon zu viel preisgegeben und war nicht bereit, eine übereilte Zustimmung zu geben.
»Wer seid Ihr, Monsieur? Woher rührt Euer plötzliches Interesse an Florine? Unter meinen Gästen habe ich euch noch nicht gesehen.«
»Das alles ist nicht von Belang. Du bist nicht mehr jung, Mathilde. Deine Reize sind dahin. Du bist darüber hinaus, aus der Armut emporzusteigen, wie es dir einst gelungen ist. Weshalb willst du sterben, wenn du leben kannst? Nimm mein Angebot an und alles wird gut werden.«
Madame Chrysantheme kämpfte mit sich. Das Bedürfnis seinem Rat zu folgen wurde übermächtig und gleichzeitig gewann das Gefühl die Oberhand, einen großen Fehler zu begehen. Sie musste sich ihre Antwort mit Gewalt abringen.
»Die Entscheidung liegt nicht bei mir, Monsieur. Über Florines Zukunft kann nur sie selbst bestimmen.«
»Dann hole sie und unterbreite ihr meinen Vorschlag.«
»Jetzt?«
»Ich werde ihn kein zweites Mal machen.«
Das silberne Glöckchen war voller Dellen, sein Läuten von schräger Dissonanz. Madame Chrysantheme setzte es ab. Einerseits hoffte sie inständig, Florine sei das Läuten entgangen, andererseits fieberte sie ihr entgegen. Nach einer Zeit, die ihr unerträglich lang vorkam, trat Florine ein. Sie hielt einen Teller dampfender Eierpfannkuchen in der Hand. Als sie den Fremden erblickte, rutschte er aus ihren Fingern und zerschellte am Boden. Zwischen den Scherben und den Pfannkuchen blieb sie reglos stehen. Sie kannte den Mann.
»Sag es ihr, Mathilde.«
»Sagt es ihr doch selbst«, brachte Madame Chrysantheme einen Anflug von Widerstand auf. Er fiel in sich zusammen. Der Fremde fasste sie ins Auge, Florine rang die Hände. Unstet sah sie von einem zum anderen, in Erwartung einer Erklärung.
»Was …?«, krächzte sie.
»Dieser Herr, der mir seinen Namen nicht nennen will, hat ein Angebot gemacht«, sagte Madame Chrysantheme barsch. »Er will alle Unkosten für die Renovierung übernehmen und ist bereit alles zu tragen, was nötig ist, um mein Haus wieder zu einer ersten Adresse zu machen.«
Florine stieg über das Malheur zu ihren Füßen und richtete das Wort direkt an den Fremden. »Garantiert gibt es einen Haken an diesem Angebot.«
Er neigte den Kopf und sein Haar wurde im Kerzenschein zu Wellen aus purem Gold, das seinen Kopf umspielte. Madame Chrysantheme war sich sicher, dass seine stumme Geste ein verschmitztes Heben seiner Mundwinkel verbergen sollte.
»Er fordert von mir etwas, das ich nicht gewähren kann, das ist der Haken. Er möchte, dass du mit ihm gehst.«
Die üblichen hitzigen Reden, einer dieser für ihre Umgebung anstrengenden Ausbrüche, zu denen Florine neigte und mit dem zu rechnen gewesen war, blieb aus. Stattdessen nahm mit ihrer Blässe auch ihre Ratlosigkeit zu.
»Was wollt Ihr von mir?«
Er sah sie an. Aus seinen Augen schien ein türkisfarbenes Licht zu strömen und sich um Florine zu legen.
»Ich will dich in der Sicherheit meines Hauses wissen, Kind.«
»Und vermutlich zwischen den Laken Eures Bettes«, gab sie abschätzig zurück.
»Das auf keinen Fall!«, stieß der Fremde aus und klang entsetzt.
»Das mache ich nicht. Niemand kann mich dazu zwingen. Dieser Mann ist böse!« Anklagend
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