Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes
auf eine natürliche Ursache zurückgeführt zu werden. Daran gibt es keinen Zweifel. Und welchen Schluss legt dies nahe? Dieser Mann, den Ihr vor Euch seht, ist unverwundbar. Eine scharfe Klinge kann ihm nichts anhaben, eine Kugel ebenso wenig, möchte ich hinzufügen. In ihm steckt das, wonach sich jeder Mensch verzehrt. Unsterblichkeit. Es gibt nur eines, das ihm schaden kann.«
Saint-Germain hielt inne, äußerst zufrieden mit der Wirkung seiner Vorführung.
»Ist es sein Blut, das diese Unsterblichkeit herbeiführt?«, fragte Madame de Pompadour mit einem Blick auf das Likörgläschen in Saint-Germains Hand. »Könnte es dem König diese Möglichkeit schenken?«
Saint-Germain schwenkte das Gläschen. »Fürwahr, das wäre ein großes Geschenk. Einige Tropfen dieses besonderen Lebenssaftes und der Tod verliert seine Macht. Leider muss ich Eure Frage verneinen, Madame de Pompadour. Sein Blut mag ein machtvolles Elixier sein, die Ewigkeit gewährt es nicht.«
»Dann ist es also nicht möglich«, hauchte Morphise enttäuscht.
Was für ein perfides Gaukelstück. Saint-Germain hatte die Damen durch ein unerfüllbares Versprechen angelockt. Das ewige Leben für Louis XV., an dem ihnen genug lag, um die gegenseitige Rivalität hintan zu stellen. La Pompadour und Louise O’Murphy hatten sich in dieser Nacht zusammengeschlossen, geleitet von Hoffnung und verführt von einem Betrüger. Das war zu niederträchtig.
»Das habe ich nicht gesagt, Demoiselle. Es gibt einen Weg, die Furcht vor Alter und Tod abzulegen, auf dem Höhepunkt der Jugend und Kraft zu verweilen, ohne von Krankheiten und Leiden befallen zu werden«, schwadronierte Saint-Germain.
Die rot gefärbte Skalpellklinge wies an dem Gefesselten entlang und forderte das nächste dumpfe Knurren heraus. Ein besseres Objekt für seine Lügen hatte er wahrlich nicht finden können. Der Mann war jung und seine Muskulatur zeugte von Kraft. Aus dem tiefen Schnitt über seinen Rippen war ein rosiger Streifen geworden, umgeben von Schlieren seines Blutes. Das Likörgläschen zerschellte am Boden. Sein Inhalt zerfloss zwischen den Scherben.
»Das Geheimnis liegt nicht in seinem Blut, Mesdames et Messieurs. Es ist sein Biss, in dem die Ewigkeit enthalten ist. Wer sich ihm aussetzt, geht jedoch ein großes Risiko ein. Die wenigstens bringen den Mut auf, sich diesem Wagnis auszusetzen. Er alleine entscheidet über Leben oder Tod.«
Von jugendlichem Leichtsinn getrieben, trat Morphise ein Stück näher. »Was geschähe im schlimmsten Fall?«
»Im schlimmsten Fall würde er Euch die Kehle zerfetzen.«
Die Gäste schnappten nach Luft. Die dritte Dame sank gegen einen der Herren, dessen Arm sie vor einem Sturz bewahren musste. Genug. Dieses Schmierenstück wollte Florine sich nicht länger ansehen. Ohnehin war sie in Vergessenheit geraten. Sie schob sich auf den Ausgang zu. Ihre Bewegung erregte Saint-Germains Aufmerksamkeit. Er wies auf sie.
»Es besteht kein Grund, Euer eigenes, kostbares Leben zu riskieren. Für das folgende Experiment hat sich die kleine Mamsell zur Verfügung gestellt.«
»Das habe ich nicht!« Demonstrativ hob sie den Weindekanter. »Ich bin hier, um den Wein auszuschenken.«
Alle Blicke waren auf sie gerichtet, ihre Geste missachtend, die ihnen eine Erfrischung anbot. Saint-Germain nahm ihr die Karaffe ab.
»Stell dich nicht so an«, zischte er kaum hörbar und zerrte sie in die Mitte des Raumes.
»Ich erhebe Einspruch«, meldete sich der Skeptiker. »Es kann nicht angehen, dass wir diese Person in Gefahr bringen.«
»Die Gefahr ist gering«, versicherte Saint-Germain. Als er seine Hand diesmal aus der Tasche zog, lag eine Pistole darin. Direkt vor ihrer Nase schwenkte er sie herum. »Ich erwähnte eine Ausnahme, ehe die kleine Mamsell mich unterbrach. Diese Ausnahme ist Silber. Seht ihr die Handschellen an der Wand, und wie er vermeidet, sie zu berühren? Sollte er sich zu einer Dummheit hinreißen lassen, so ist ihm eine Silberkugel garantiert. Mitten ins Herz.«
An der Wirkung von Silberkugeln hegte Florine starke Zweifel. Vielmehr glaubte sie an nichts, was Saint-Germain bisher aufgeführt hatte. Er hielt sie alle zum Besten, gemeinsam mit seinem Komplizen. Und nun gedachte er ihr eine Rolle in seiner Komödie zuzuteilen. Sie sträubte sich dagegen, näher an den Gefesselten gedrängt zu werden. Unterdessen disputierte die Gesellschaft über das ihr zugedachte Los.
»Ich werde nicht teilhaben an Euren Machenschaften«, raunte
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