Söhne der Luna 2 - Die Braut des Wolfes
konnte ihr nicht mit Gewalt beikommen. Seine Fäuste waren geballt, doch konnte er sie nicht gegen sie erheben. Er lockerte die Finger, machte lange Atemzüge.
„Ich hätte es dir nicht geben sollen. Dafür entschuldige ich mich. Was mich betrifft, Werwölfe können nicht süchtig werden.“
„Woher willst du das wissen? Du könntest daran sterben. Dieses Teufelszeug hält dich nicht zusammen, Ruben de Garou, es wird dich früher oder später zerstören.“
Er war durchschaut. Von einer Frau, die den größten Teil ihres Lebens hinter Mauern verbracht und nichts von der Welt gesehen hatte. Das Opium verhinderte, dass er auseinanderbrach und die Bestie hervorkam. Ohne die Droge würde er hinausrennen unter den Vollmond und der Gier nach frischem Blut folgen. Er würde sich der Bestie überlassen, der Raserei verfallen und sowerden wie seine Schwester Alba. Ein Monster, von unersättlichem Hunger und dem Trieb zu töten beherrscht. Nichts davon wollte er eingestehen.
„Du verstehst nicht, Aurora. Ohnehin hat es mit dir nichts zu tun. Und dafür solltest du dankbar sein.“
Ihre Miene wurde weicher. Sie strich durch ihr Haar, glättete die abstehenden Locken. „Du vertraust mir nicht. Ich habe volles Verständnis dafür. Niemand traut einer Strega.“
Stumm blieben sie voreinander stehen. Nach einer Weile ging er an ihr vorbei ins Schlafzimmer. „Ich werde mir ein anderes Zimmer nehmen. Gleichgültig, was Tizzio dazu sagt. Das ändert nichts daran, dass ich dir weiterhin zur Seite stehe. Sofern du darauf noch Wert legst.“
„Krötenspucke! Da sind Blutflecken auf deinem Hemd.“
Sie überfiel ihn geradezu. Riss sein Hemd aus der Hose und zog es nach oben, ehe er sich ihrer erwehren konnte.
„Glassplitter. Eine ganze Menge! Und sie sind eingewachsen. Ich werde sie ziehen müssen.“
„Aurora, ich bitte dich.“
Bestimmend schob sie ihn vor sich her auf das Bett zu. „Dein Rücken ist mit Scherben gespickt. Warum hast du denn nichts gesagt? Leg dich hin. Nein, zuerst musst du das Hemd ausziehen.“
Des Widerspruchs müde, streifte er sein Hemd ab und legte sich quer auf das Bett. Leichter wäre er die Splitter losgeworden, indem er sich verwandelt und sie einfach aus seinem Fell geschüttelt hätte, aber damit war es nicht getan. Aurora hatte etwas anderes gefunden, womit sie sich befassen konnte, und ein wenig Schmerz war eine geringe Buße für das, was er ihr zugemutet hatte.
Geschäftig wühlte sie in einer Schublade und kehrte mit einer Pinzette, einem Tuch und einem Vergrößerungsglas zurück. Er verschränkte die Arme und legte den Kopf hinein. Nach dem Rausch kam die Müdigkeit. Sie überrollte ihn schier. Er schloss die Augen, bereit, alles über sich ergehen zu lassen. Zunächst inspizierte sie seinen Rücken mit dem Glas. Ihr Atem streifte warm über seine Haut.
„Mir mögen zwar die Voraussetzungen fehlen, um die würdige Gefährtin eines Alphawolfes zu sein, aber ich denke, mit einigen Splittern komme ich zurande.“
Er öffnete die Augen zu einem schmalen Spalt. Hatte er wirklich geglaubt, der Diskussionen sei ein Ende? Bei einer Hexe? „Es liegt nicht an deinem, sondern an meinem Mangel an Eignung. Ein Alpha muss für seine Gefährtin sorgen können. Dazu braucht er ein Revier und ein Rudel. Ich besitze beides nicht und kann dir weder Sicherheit noch Stabilität bieten. Ich wildere zu beiden Seiten der Alpen in fremden Territorien und habe keine feste Bleibe.“
Der erste Splitter ziepte an seiner Schulter. Ein Zupfen der Pinzette, ein kaum spürbarer Schnitt und sie hatte die Scherbe gezogen. Obwohl sich die Wunde bereits wieder schloss, tupfte sie mit dem Tuch daran herum.
„Eine Strega, das habe ich heute erfahren, schöpft ihre Sicherheit aus sich selbst heraus. Es ist unsere Aufgabe, zu bewahren und zu behüten, was unser ist. Das ist das Gesetz der Gilden. Nur dadurch konnten sie Jahrhunderte überdauern.“
„Ein Alpha muss für seine Gefährtin sorgen“, beharrte er. Wieder ziepte es. Schweigend zog sie die nächsten vier Splitter.
„Wer aber versorgt den Alpha? Wer kümmert sich um seine Wunden, wer heilt seine Verletzungen, zu wem kehrt er zurück nach seinen Kämpfen?“
Er seufzte nur. All diese Fragen erinnerten ihn an ein Ratespiel, und darin waren die wenigsten Werwölfe gut. Leise fuhr sie fort und lullte ihn ein.
„In einer Ergänzung sorgt einer für den anderen. Beide tragen Verantwortung und stehen bei Gefahr füreinander ein. Es gibt keinen
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