Söhne der Rose - Die Zeit ist aus den Fugen- (Gay Phantasy) (German Edition)
Der andere ging etwas tiefer. Ich hoffte nur, dass er nicht durch einen riesigen Zufall geradewegs durch den Notausstieg Sinh getroffen hatte. Der düstere Umriss des Killers verschwand aus der beleuchteten Öffnung. Ich richtete meine Gedanken und Aufmerksamkeit auf Sinh, dem es zum Glück gut ging. Julio hatte bereits seine Glock in der Hand und feuerte schräg nach oben auf die Schachttüren, obwohl sich der Killer zurückgezogen hatte. Der wiederum hatte schlagartig seine Strategie gewechselt. Statt uns ein Ziel zu bieten, blieb er in seiner Deckung und schoss nun seinerseits wieder, nur nicht auf uns. Ein Lichtspiel aus Funkenregen entstand hoch über uns.
Er ballert auf die Haltesseile! , dachte Julio so deutlich, dass es für mich den Anschein hatte, er hätte den Gedanken geschrien.
Meine Schrecksekunde war vorüber. Im nächsten Moment befand ich mich neben dem Schützen auf dem Dachboden, auf dem medizinische Geräte älterer Bauart, klapprige Krankenbetten, eingemottete Rollstühle und allerlei anderer nutzloser Krempel eingelagert worden waren. In der Hoffnung, dass sich in naher Zukunft ein Versaceanzug nebst eingeschläfertem Besitzer dazugesellen würde, hielt ich für ihn die Zeit an, gerade, als er noch mal schoss. Der Killer unterschied sich lediglich durch Körperbau und Hautfarbe von seinen Kollegen, aber die Vorliebe für italienische Mode teilten sie offensichtlich alle. Außerdem besaß dieser ein Headset, genau wie der, den ich erstmalig in der Schwesternstation gesehen hatte.
Die Luft ist rein, Julio, komm schnell hoch.
Der riesige Dachboden besaß einige kleine Erkerfenster, durch deren staubige Scheiben warmes Sonnenlicht fiel. In dieser Ruhe erinnerte er mich sogar auf angenehme Weise an meine Villa. Heimweh überkam mich, was eigentlich paradox war, da ich mein Heim in mir trug. Dennoch schmerzte dieses Gefühl ein wenig.
Julios Auftauchen holte mich aus meiner leichten Melancholie.
Renn nicht in die Kugel , dachte ich, als er sich aus dem Schacht schwang. Er kam auf die Füße, duckte sich und sah sich verwirrt um, dann erblickte er das Projektil vor seinem Körper, das ebenfalls in der Zeit still stand.
War nur ein Witz. Die kann dich nicht verletzen.
Julio sah mich an und legte kurz den Kopf schief. Diese Geste drückte auch ohne zusätzliche Worte oder Gedanken eindeutig aus, was er meinte: Ha ha, sehr lustig. Und wahscheinlich noch: Idiota.
Kann ich ihn anfassen? , dachte Julio und nahm die Granate aus dem Mund.
Ja, aber beeil dich.
Julio näherte sich trotzdem eher vorsichtig Mr. Versace Nr. 4, berührte ihn kurz, so wie man eine Herdplatte berührt, um zu testen, ob sie heiß ist, und drehte ihm dann die Waffe aus den Fingern. Ich glaube, der Zeigefinger des Killers knackte einmal leise dabei. Die neue Glock schob sich der coole Chicano hinter den Hosenbund auf dem Rücken.
„Fur Sinh.“
Dann taste er ohne Erfolg den regungslosen Körper auf weitere Waffen oder Ersatzmagazine ab. Zum Schluss schob er dem mordgierigen Anzugträger die Granate längst in den Mund und drückte dessen Unterkiefer fest nach oben, damit sie hielt.
„Jetzt die Granate auch wieder einfrieren, okay?“ Das schelmische Grinsen konnte Julio dabei kaum unterdrücken.
Okay, aber das reicht jetzt. Wir müssen Gas geben. Sinh ist da unten ganz allein, außerdem kostet mich das alles hier zu viel Kraft.
Ich wollte Julio gegenüber nicht als Schwächling dastehen, aber ich wusste, was mir am Flughafen noch bevorstehen würde.
„Gas geben, eh? Richtig“, antwortete Julio und zog mit spitzen Fingern das Pflaster von der Granate. Dann hechtete er laut lachend, als wäre das alles nur ein großes Spiel, die abgefeuerte Patrone umrundend zum Fahrstuhlschacht und machte sich an den Abstieg. Wenigstens verlangte er nicht von mir, die Zeit für den Killer weiter laufen zu lassen, während er noch zugucken konnte. Mir selbst lag auch nicht viel daran zu sehen, was es heißt, wenn jemand wirklich den Mund zu voll genommen hat. Ich wollte nur noch warten, bis Julio wieder bei Sinh war, den Killer von seinem zeitlosen Schicksal erlösen und seinem neuen, unangenehmen überlassen, und dann sofort zurück zu Daxx.
Allein der Gedanke an ihn ließ mich seine Angst wahrnehmen. Er rief nicht wirklich nach mir, aber ich spürte, wie die Panik mehr und mehr Besitz von ihm ergriff. Über Alain wollte ich lieber gar nicht nachdenken.
Ich bewegte meinen Geist in den Fahrstuhlschacht. Unter mir hatte
Weitere Kostenlose Bücher