Söhne der Rosen - Die rätselhaften Zwillinge (Gay Phantasy) (German Edition)
hielt, hatte ich das Gefühl, durch sie meine Arme und Beine hindurch auf dem Bettbezug sehen zu können. Ein interessanter Nebeneffekt meines autogenen Trainings, der mich jedes Mal aufs Neue faszinierte. Wach sein und träumen zugleich. Keine Droge der Welt kann so gut sein.
Zu der angenehmen Melodie aus Vogelgezwitscher gesellten sich leise klickende Geräusche und zogen mich behutsam aus meiner Halbtraumwelt: Krallen auf dem Fenstersims.
Dina war gekommen, um meine Rückkehr zu begrüßen. Katzen bewegen sich in der Regel lautloser als ein treibendes Blatt Papier im Weltraum, aber ihre Art mich daheim Willkommen zu heißen begann immer mit der sensiblen Weise, mit ausgefahrenen Krallen ein gehauchtes Drummersolo beim Schleichen zu erzeugen. Langsam hob ich meinen Kopf und blinzelte zum Fenster. Mit einer fließenden Bewegung beendete Dina ihr Umherstolzieren, setze sich und schlang den Schwanz um ihren Körper. Mehr Zuneigung konnte man von einer Katze nicht erwarten – nun war es an mir aufzustehen, zu ihr zu gehen und wiederum sie zu begrüßen. Katzen haben ihren Stolz und man tut besser daran, diesen nicht überzustrapazieren. Ich liebte sie für ihre Selbstständigkeit.
Langsam schlenderte ich zu ihr, genoss die warme Brise, die durch das offene Fenster hineinwehte und den Duft der Rosen mit sich brachte, an dem ich mich seit so vielen Jahren erfreute. Mein Blick schweifte über den prächtigen Garten, als ich sie streichelte. Eine unerwartete Bewegung hinter einem der dichteren Rosensträucher riss mich vollends aus meiner Lethargie. Ein handballgroßes Stück löste sich aus der Natur und sprang mit einigen Sätzen im Zickzack umher, immer wieder verdeckt von Bäumen und Sträuchern. Ein Ochsenfrosch! Dann, als mir weniger Blätter und Zweige die Sicht versperrten: eine Bulldogge. Ich war mir sicher gewesen, einen Frosch gesehen zu haben, aber das Tier war nun eindeutig ein Hund. Ein junger, wilder Hund.
Verspielt hüpfte er umher, kläffte vergnügt, als jage er etwas, das nur er sehen konnte. Dina reagierte überhaupt nicht auf ihn. Entweder nahm sie ihn nicht wahr, oder sie schätzte dieses bellende Tohuwabohu nicht als würdig genug ein, von ihr bemerkt zu werden.
Scheinbar ziellos näherte er sich der Stelle, die den ehemaligen, geheimen Durchgang zum Nachbargrundstück darstellte, auf dem ich mit meinen Eltern vor meiner Veränderung gelebt hatte. Mit jedem Yard wuchs in mir eine merkwürdige Anspannung. Immer wieder von Blättern und Gestrüpp verdeckt, wirkte der Hund beinahe transparent in dem großen Garten. Die tätowierte Rose auf meiner Brust begann plötzlich zu kribbeln. Etwas sollte sich ändern, das war mir schon damals klar. Noch drei Sprünge, bis die kleine Bulldogge die Stelle erreichen würde, noch zwei, einer.
Der Hund verschwand zwischen den sanft wogenden Blättern. Ich spürte einen leichten Stich in meiner Brust, nicht schmerzhaft, eher angenehm.
Meiner tätowierten Rose war eine zweite Blüte gewachsen, identisch mit der ersten, nur gespiegelt.
Samstag, 16. Juni 2012 – 22:48 Uhr
Cape Orchid
Allgemeine Raumzeit
In weißes Mondlicht getaucht lag der Rosengarten mit seinen harten Schatten wie ein Scherenschnitt vor mir. Ich hatte es mir auf der Terrasse in einem Liegestuhl bequem gemacht, genoss die Nachtluft und die mit ihr einhergehende Temperatur und streichelte Dina, die es sich auf meinem Bauch liegend gut gehen ließ. Auf einem kleinen, runden Klapptisch neben mir stand ein Glas mit Eistee, das erste, das ich seit über zwei Jahren trank. Die Vermutungen um die bevorstehenden Ereignisse und das gleichzeitige Unwissen über deren konkrete Formen hatten mich seit dem frühen Abend immer nervöser werden lassen. Mit der Stille der Nacht, die ohne die tagsüber herrschende Geräuschkulisse sogar das Rauschen des Meeres an mich herantrug, kam die herbeigesehnte Entspannung.
Meine Tätowierung hatte sich verändert, ähnlich wie im Sommer 2007, vor fünf Jahren. Ähnlich, aber nicht gleich. Ich war am Vormittag gerade damit beschäftigt gewesen, Dinas Futtertopf aufzufüllen, während sie um meine Beine strich und zugleich schmeichelnd und fordernd maunzte. Ich hatte die Dose Katzenfutter noch nicht ganz geleert, als ich ein Kribbeln auf meiner Brust spürte. Ich dachte an ein Insekt, wischte instinktiv über die Stelle, aber das merkwürdige Gefühl blieb. Dann dämmerte es mir, und als ich hinsah, bemerkte ich ein weiteres Blatt, das
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