Söhne der Rosen - Die rätselhaften Zwillinge (Gay Phantasy) (German Edition)
überhaupt nicht gerannt. Sein Gesicht nahm bizarre Formen an, kam nicht zum Stillstand. Ich fühlte einen schweren, metallischen Gegenstand in meiner Hand.
„Warum?“, rief das menschenähnliche Wesen vor mir. Im Wechselspiel zwischen Neon- und Alarmbeleuchtung sah es beinahe so aus, als sei es blutüberströmt.
Was ich als nächstes sagte, ging im lauten Knall eines Schusses unter.
Als wäre ich getroffen worden, schreckte ich hoch. Es dauerte einen Augenblick, bis ich mich orientiert hatte. Der Pulvergeruch in meiner Nase wich dem angenehmen Duft der Rosen. Ich saß aufrecht im Liegestuhl auf meiner Terrasse. Die Morgensonne blendete mich, aber ich begrüßte sie erleichtert. Ich hatte die Nacht draußen verbracht, war eingeschlafen, ohne es bemerkt zu haben. Dina war verschwunden. In der frischen Morgenluft bemerkte ich den kalten Schweiß, der das T-Shirt auf meinen Körper heftete.
Beim Aufstehen knirschte es unter meinem rechten Fuß und ein stechender Schmerz schoss die Wade hoch. Ein paar Scherben des Eisteeglases hatten sich in meinen nackten Fuß gebohrt. Nachdenklich betrachtete ich die Splitter, die ich langsam aus den Wunden zog, worauf diese sich binnen einiger Sekunden schlossen.
Das war der Schuss in meinem Traum, dachte ich. Ich habe im Schlaf das Glas heruntergestoßen und bin von dem Aufprall wachgeworden.
Ich ließ die blutigen Scherben zu Boden fallen und wartete darauf, dass die Erde das komplette Blut absorbierte. Nach einer Minute sammelte ich die blitzblanken Glasstücke vorsichtig auf, ging in die Küche und warf sie weg. Die Villa würde ein wenig länger als bei meinem Blut benötigen, die Scherben in sich aufzunehmen und daraus etwas Neues zu formen.
Dina hockte sprungbereit auf der Arbeitsplatte neben dem Herd, als ich mich zu ihr umdrehte, stieß sie sich ab und fiel mich an. Ich drehte mich unter ihr weg, packte sie im Flug am Nacken und zog sie an meine Brust.
„Hör mal, junge Dame, es gibt wesentlich freundlichere Methoden, um Futter zu bitten. Wenn du mich in deiner Gier umbringst, musst du selber lernen, mit einem Dosenöffner umzugehen.“
Als Antwort zog sie ihre unteren Augenlider angriffslustig nach oben und fuhr die Krallen ein wenig aus.
„Du willst mir drohen? Du willst mir drohen?“, fragte ich sie bei dem Versuch, meine miserable De-Niro-Imitation zur Schau zu stellen. „Wie würde es dir gefallen, morgen früh neben einem Pferdekopf aufzuwachen?“
Dina zeigte sich unbeeindruckt, wie nicht anders zu erwarten gewesen war.
„Na schön, du hast gewonnen. Ich mache uns Frühstück.“
Sonntag, 17. Juni 2012 – 10:36 Uhr
Cape Orchid
Allgemeine Raumzeit
Der Tag wurde schwül, die feuchte Hitze beinahe lebendig, als ob sie eine aggressive Schlange wäre, die jedermann die Luft abzuschnüren versuchte. Ich war mir sicher, dass, bevor der Tag noch um sei, es ein heftiges Gewitter geben würde. Der Geruch von Ozon war allgegenwärtig. Dinas Stimmung war entsprechend, also ließ ich sie in Ruhe faulenzen und versuchte, mich ebenfalls so wenig wie möglich zu bewegen. Ich entschied mich für ein paar Runden Schach gegen mich selbst, obwohl die Art, wie ich es spielte, nicht ohne Bewegung funktionierte. Allerdings wollte ich auch nicht einfach nur den ganzen Tag faul herumliegen und über das, was mir bevorstehen würde, nachdenken.
In der Bibliothek der Villa war es ein wenig kühler als im restlichen Gebäude und sehr viel kühler als draußen, aber immer noch warm genug, um leicht ins Schwitzen zu geraten. Mein Schachbrett ruhte auf einem runden Barocktisch vor dem Westfenster des Saals in einem Erker, der von den hohen Lorbeerholzregalen, die tapfer der Last der unzähligen Bücher widerstanden, regelrecht eingefasst war. Schachbrett war eigentlich nicht die richtige Bezeichnung, da das Spielfeld nicht flach und quadratisch war, sondern kugelförmig. Ich hatte eines Tages den Werkzeugschuppen, der im Garten direkt an den Westflügel des Hauptgebäudes grenzte, durchstöbert und war dabei auf einen alten Globus gestoßen. Weiß der Herrgott, warum Alain oder einer seiner Vorgänger ihn dort gelagert hatte. Aber als ich ihn dort zwischen Unmengen von Werkzeug, Kisten, Kartons, Staub und Spinnenweben entdeckt hatte, fiel mir sofort eine Verwendung für ihn ein.
Wenn man wie ich nach beinahe zwei Jahrzehnten eines normalen Lebens plötzlich feststellen muss, dass Zeit nicht nur eine, sondern mehrere Dimensionen
Weitere Kostenlose Bücher