Söhne der Rosen - Die rätselhaften Zwillinge (Gay Phantasy) (German Edition)
wie ich vermutlich ihn. Selbst bei den unwirtlichen Lichtverhältnissen erkannte ich sofort seine negroide Abstammung, obwohl er eine sehr helle Hautfarbe besaß. Seine Haare waren kurzgeschoren und an den Seiten gänzlich abrasiert, dafür zierten sein Gesicht ein paar Stoppeln über der Oberlippe und an seinem Kinn. Die tiefschwarzen Augen mit dem Schlafzimmerblick und einer leichten Mandelform verliehen seinem Gesicht etwas von einem jungen, ägyptischen König, lediglich die beiden runden Piratenohrringe passten nicht in dieses Bild. Dafür passten sie wiederum zu der winzigen Narbe unter seinem linken Auge, die ihm einen leicht verwegenen Charakterzug gab.
Als wäre ich noch nicht erschrocken genug über sein plötzliches Auftauchen, stachen mir seine Armyhose und seine schwarzen Stiefel ins Auge, und für einen Moment brach eine schreckliche Erinnerungskette an meinen Vater, den General, mit all seinen horrormäßigen Taten über mich herein. Doch entgegen der extremen Hitze trug er eine offene Lederjacke über seinem nackten Oberkörper, die mit Sicherheit nicht der Kleiderordnung der Army entsprach. Er hatte meine Größe und war mindestens so durchtrainiert wie ich – im Gegensatz zu mir, als ich Alain das erste Mal begegnet war. Würden seine Muskeln im Laufe des Sommers ebenso sprießen wie meine damals, hätte ich es im Herbst mit einem wahren Kraftpaket zu tun.
„Das ... das ist schon okay“, stammelte ich. Dann machte ich ein paar Schritte auf ihn zu, blieb aber stehen, als ich merkte, dass er nervös wurde und abwechselnd zu mir und in den Flur blickte, aus dem er gekommen war.
„Ich wollte nichts klauen, echt nicht.“
„Das habe ich auch nicht angenommen.“
Schweiß glänzte auf dem schmalen Streifen seines Oberkörpers, der durch die offene Lederjacke zu sehen war und einzelne Perlen davon glitzerten in den Härchen, die zwischen seinem Bauchnabel und seinem Scharmbereich wuchsen. Ich musste mich zusammenreißen, etwas sagen, bevor ich es verpatzte. Mein Blick fiel auf den Ledersessel, auf dem mein verschwitztes Hemd lag. Ich griff danach und zog es mir eilig über.
„Entschuldige, ich hatte nicht mit Besuch gerechnet.“
„Schon klar, Mann“, antwortete er, immer noch aufgeregt.
„Also, wenn deine Sorge darin besteht, dass ich die Cops rufe, kann ich dich beruhigen. Ich habe schon drei von ihnen zerstückelt unten im Keller liegen. Mehr brauche ich nicht.“
Der Schuss ging nach hinten los. Statt die Situation aufzulockern hatte ich nur erreicht, dass er noch unsicherer dreinblickte.
„Das war nur ein Witz. Mein Name ist Julian, Julian Grifter.“
Er schwieg, vielleicht aus Angst. Ich schwieg, definitiv aus Angst. Nicht vor ihm, nur davor, alles zu vermasseln. Alain hatte mir niemals erzählt, ob so etwas möglich wäre, ob man seinen Nachfolger aus Dummheit und ungeschicktem Verhalten eventuell in die Flucht schlagen könnte und somit bis in alle Ewigkeit ein Bestandteil dieses Bauwerks und seines Gartens bleiben müsste.
„Und ... ?“
„Und?“, fragte er.
„Und du bist ... ?“
„Ich bin neu hier.“
Klar. Herrgott noch mal, mach es mir doch nicht so schwer.
„Ich meine, wie heißt du?“
„Sinh.“
„Sin? So wie Sünde?“
Als hätte ich ein Zauberwort ausgesprochen, änderte sich plötzlich seine Miene und bekam einen stolzen Ausdruck.
„Nein. S-I-N-H. Sinh.“
“Das ... das ist ein schöner Name. Ausgefallen.“
„Findest du?“
Mist. Ich hatte vergessen, dass seit meinem Einzug in der Villa etliche Jahre vergangen waren. Obwohl ich oft vor dem Fernseher saß, der mittlerweile nur noch drei Programme ausstrahlte – der Rest war einfach statischem Rauschen gewichen – und regelmäßig meine Zeitungen bekam, hielt ich mich nicht wirklich auf dem Laufenden, was gesellschaftliche Veränderungen angingen. Vielleicht war der Name Sinh mittlerweile so üblich wie Bill oder Steve? Oder Smith, da ich mir nicht einmal sicher sein konnte, ob es sein Vor- oder Nachname sein sollte. Themenwechsel.
„Ich habe gerade Schach gespielt. Hast du Lust auf eine Partie?“
„Schach? Nicht wirklich.“
Der stolze Ausdruck hatte sich indessen in einen leicht arroganten verwandelt. Merkwürdigerweise machte es dadurch ‚Klick’ bei mir. Er war so jung, so unerfahren, und wahrscheinlich auch sehr verunsichert, aber dennoch ein wenig überheblich. Seine Augen hatten wieder diesen Schlafzimmerblick, aber seine Mundwinkel umspielte leichter
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