Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Soehne des Lichts

Soehne des Lichts

Titel: Soehne des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Balzer
Vom Netzwerk:
wenigen Flügelschlägen zum Eingang des Baumnests.
    Loy beherrschten schwache Magie, mit denen sie Bäume beeinflussen konnten, nach ihren Wünschen zu wachsen. Baumnester bestanden aus lebendem Geäst, in den Kronen hatten die Loy eine sichere behagliche Wohnung, vor Wind und Wetter geschützt und mit genügend Platz für sich und ihre Familien. Die Eingänge wurden aus losen Zweigen gebildet. Die Magie der Loy nährte die Bäume, gab ihnen die Kraft, selbst im Winter ihre Blätter zu halten, und schützte sie vor Krankheiten und Wassermangel.
    Eine Weile blieb Niyam regungslos auf dem Ast stehen, bevor er sich überwinden konnte, an den Zweigen zu rütteln und den Nestbewohnern so zu zeigen, dass er da war.
    „Komm herein, Niyam.“
    Roya.
    Die Jahre waren nicht lang genug gewesen, um die Schuld von ihm zu nehmen. Nicht lang genug, um die schrecklichen Erinnerungen zu mildern, den Schleier des Vergessens über sie zu legen.
    Die gleiche verhärmte Bitternis, die Fanvens Lachen gestohlen hatte, lag auch über Royas Gesichtszügen. Ihre jugendliche Schönheit war verloren, eine hagere Fremde starrte ihn kalt an. Tote Augen.
    „Es ist gut, dass du zurückgekommen bist, Niyam. Gut, dass du nicht den Tod gesucht hast. Ich hatte gehofft, dass du nicht so feige sein würdest.“ Sie musterte ihn aufmerksam. Als er ansetzte zu sprechen, hob sie ungeduldig die Hand.
    „Sag nichts. Keine Entschuldigungen. Keine Erklärungen. Ich will nichts hören. Ich weiß, wovor du versucht hast wegzulaufen. All die Jahre habe ich dich beneidet für deine Entscheidung. Ich wusste, du kannst deinen Erinnerungen und Träumen nicht entkommen. Trotzdem, er war verführerisch, der Gedanke, es dir gleich zu tun. Vor dem Mitleid der anderen davonrennen, meine ich. Ich konnte es nicht. Ich durfte es nicht.“
    „Warum, Roya? Fanven sprach von etwas, das dir aufgezwungen wurde.“
    Sie lächelte schmal und wies ruckartig mit dem Kopf zur Seite. Niyams Blick glitt suchend über den Hausrat, die Waffen und Kleidungsstücke, die ordentlich in den Nischen des Baumnestes verteilt waren, über den niedrigen Tisch, den einer der Hauptäste bildete, auf dem Reste eines Abendessens, Werkzeug zur Lederbearbeitung und Schnitzwerk lagen. Daneben entdeckte er zwei Schlafmatten.
    Zwei Schlafmatten?
    Und dann sah er ihn, den Jungen, der sich im hintersten Schatten zu verstecken suchte.
    „Darf ich vorstellen? Eiven, mein Sohn. Eiven, komm raus da und begrüße meinen Gast.“
    Roya sprach drohend, eher, als würde sie jemand verscheuchen als ihren eigenen Sohn präsentieren wollen. Niyam ahnte bereits, was er sehen würde. Dennoch zuckte er zusammen, als der junge Loy ins Licht kam, den Kopf tief gesenkt, die Schultern eingezogen. Ein Mischling, unverkennbar. Eivens Haut war blass, sein Haar zwar schwarz, doch glatter und dünner als bei den Loy üblich. Immerhin, er hatte ordentliche Flügel. Für gewöhnlich wurden Bastarde von ihren Müttern getötet, gezwungen wurden sie dazu allerdings nicht. Es war früher häufiger geschehen, dass Menschen und Loy sich in Liebe fanden und gemeinsam ihre Nachkommen aufzogen, die in beide Welten zugleich gehören. Niyam hatte von Mischlingen gehört, die gar keine oder verkrüppelte Flügel besessen hatten. Einige wenige hatte er bei großen Treffen mit anderen Sippen gesehen. Manche waren fast nicht von Menschen zu unterscheiden, andere wirkten wie vollkommene Loy, nur ein wenig zu hell geraten. Dieser Junge hier gehörte zur letzteren Gruppe. Eiven war unverkennbar zum Krieger ausgebildet worden, sein Körper war klein und etwas schmaler, als bei einem Loy in diesem Alter zu erwarten war, aber insgesamt gut gewachsen. Wäre sein Gesicht nicht gewesen, Niyam hätte außer der helleren Hautfarbe nichts an ihm auszusetzen gefunden. Das Gesicht allerdings ... Eiven war das dunklere Spiegelbild seines menschlichen Vaters.
    Mit aller Kraft versuchte er sein Entsetzen zu verbergen, drängte die schmerzlichen Erinnerungen zurück. Das Bild des Mannes, der ihn fast getötet und Roya geschändet hatte; auch, wenn er ihn nur als Toten deutlich gesehen hatte, das Bild war in seinem Kopf eingebrannt.
    Er wandte dem Jungen, der ihn zu fürchten schien, den Rücken zu, und suchte Royas Blick.
    „Warum?“, fragte er sie stumm, bewegte kaum die Lippen. Sie lachte wieder dieses hassenswerte, kalte Lachen.
    „Ich habe versucht, ihn zu töten. Während der Schwangerschaft, nach seiner Geburt, und später, als deutlich wurde, wie

Weitere Kostenlose Bücher