Soehne des Lichts
Sichtweite war, begann Corin zu rennen und verbarg sich im Wald. Rasch rief sie nach dem Nebel. Sie spürte, wie Kytharas Bewusstsein sie streifte, versuchte, sie
zurückzuhalten, doch es war zu spät: Corin war bereits in das Zwielicht eingetaucht. Ihre Taube flatterte auf ihre Schulter, kaum, dass sie das Hexenreich verlassen hatte. Es wunderte sie nicht, dass Inanis Vertraute auf sie gewartet hatten: Die Kyphra glitt vom Rücken des Leopardenweibchens, das seine halbwüchsigen Jungen am Rand der Nebelwelt zurückließ. Kythara hatte drei Wochen lang vergeblich nach den Tieren gesucht, die ihr den Weg zu Inani hätten weisen können. Corins Gefühl war richtig gewesen, die Zeit war reif, Inani zu finden. Sie nahm die Schlange hoch, streichelte die jungen Raubkatzen kurz, danach suchte sie entschlossen ihren Weg. Sie wusste, wenn sie versagte, würde Inani weiter töten, und hätte Kythara keine Wahl mehr, außer Inani ebenfalls umzubringen.
Wenn ich versage, habe ich keinen Grund mehr zu leben. Dann macht es keinen Unterschied, ob Inani mich tötet oder ich selbst den Mut dafür suchen muss!
Finster lächelnd entschied sie sich für eine Richtung.
Ich bin ein nutzloser Feigling, aber ich finde, was niemand sieht!
~*~
Inani hob witternd den Kopf. Ja, da war er wieder, der feine Geruch, der sie durch die Nebelwelt hierher geführt hatte. Sie erinnerte sich kaum, was die Nebelpfade darstellten, wer sie selbst war, welche Macht sie wirklich besaß. All das war tief in ihr verborgen, schlummerndes Wissen, das ihr nichts bedeutete. Wichtig war nur noch die Fährte. Gierig jaulte sie auf, warf sich auf die Vorderpranken und rannte los. Der süße Geruch trieb sie voran, die Jagdlust war erwacht. Gedanken an Blut, Vorfreude auf die Hatz, die Angst des Opfers, dies beherrschte ihr gesamtes Sein. Es war Nacht, sie bevorzugte es, in der Dunkelheit zu jagen, wenn ihre Beute schlief. Zwar liebte sie es, mit den Zweibeinern zu kämpfen, zu spielen; doch die erste Überraschung, wenn sie aus unschuldigen Träumen hochschreckten, hilflos, wehrlos, in Panik, das erregte Inani am stärksten. Mehr noch als der erste Biss, das Geräusch zerreißender Muskeln und Knochen, der Duft nach Blut, der Geschmack des Todes ...
Inanis Klauen bohrten sich in die nasse Erde, als sie am Waldrand verharrte. Über ihr funkelten Sterne zwischen regenschweren Wolken. Wind fuhr über ihre schweißnasse Haut, den dünnen Pelz, der Teile ihres Körpers bedeckte. Der Wind hatte sich gedreht. Sie spürte, wie die Geschöpfe der Nacht vor ihr flohen, große wie kleine. Von Haselmaus bis zum Bären, alles Getier fürchtete sie. Alles!
In dem Dorf, nur einige hundert Schritt vor ihr, bewegten sich einige furchtsame Geschöpfe. Pferde, Schafe, zahme Hauswölfe, sie hatten ihre Witterung aufgenommen und gaben verängstigt Laut. Inani fletschte die Zähne. Genau das hatte sie vermeiden wollen, nun würden die Menschen geweckt werden. Tatsächlich flammten Lichter auf. Es wäre klug, sich zurückzuziehen. Die Jagd für diese Nacht aufzugeben.
Inani zögerte unschlüssig. Sie hatte die Hatz begonnen, sie wusste, wo ihre Beute ruhte. Die Witterung war deutlich, so deutlich, dass sie beinahe durch die Gesteinsmauern hindurchzublicken vermochte. Sie wusste, dass der Sonnenpriester gerade erwacht war, verschlafen versuchte, die Beine aus dem Bett zu schwingen, um die Ursache der nächtlichen Unruhe zu suchen. Die Bestie in ihr knurrte. Voller Verlangen lechzte sie nach Blut, nach Tod, nach Zerstörung ... Dieser Priester hatte Hexen getötet. Sie witterte es, sie fühlte es. All ihre bisherigen Opfer waren Mörder von Pya-Töchtern gewesen. Töchter der Dunkelheit, aber auch Töchter des Lichts – Frauen mit Magie, die nicht in die Gemeinschaft aufgenommen worden waren. Häufig hatte sie Priester verschont, sobald sie spürte, dass diese Männer nicht aus eigenem Willen gehandelt hatten, sondern von anderen gezwungen worden waren. Gezwungen, Frauen zu foltern und zu verbrennen. Sie waren selbst Opfer und damit uninteressant für Inani. Sie suchte die wahren Mörder. Und einer von ihnen war nah.
TÖTE!, verlangte ihr Instinkt. Er war stark, dieser Trieb. Stärker als alles andere.
Einen Moment lang verharrte sie noch, kämpfte gegen sich selbst. Dann spannten sich die stählernen Muskeln, und Inani rannte vorwärts, lautlos, bereit, alles zum Schweigen zu bringen, was die Ruhe der Nacht störte. Alles und jeden, selbst die schuldlosen Zweibeiner,
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