Soehne des Lichts
sofort in die Lüfte aufzusteigen, sollte ein Pfeil oder Speer auf ihn geschossen werden. Zu spät wurde ihm bewusst, dass er mehr als bloß einen Gegner hatte. Er schleuderte seinen Speer auf den verborgenen Feind vor sich. Wirbelte herum, bevor er das Todesröcheln vernahm, hielt das Kurzschwert in der Hand – und fiel zu Boden, von einem heftigen Schlag gegen den Kopf gefällt. Betäubt erkannte er ein menschliches Gesicht über sich, versuchte, dem Gegner zu entkommen. Ein zweiter und dritter Hieb folgte. Den Schmerz, als ein Schwert sich in seinen Rücken bohrte, spürte er kaum noch.
Als er wieder zu sich kam, war sich Niyam nicht sicher, ob er nicht lieber gestorben wäre. Die Schwertklinge war zwar offenbar an dem dicken Muskelstrang, der seine Flügel bewegte, abgeglitten und hatte deshalb das Herz verfehlt, trotzdem war er schwer verletzt. Niyams Kopf dröhnte unerträglich, Blut lief über sein Gesicht.
Schrecklicher als die Schmerzen und die Todesangst waren die Schreie, die er ganz in der Nähe hörte. Roya …
Dann verstummten die Schreie abrupt. Niyam stöhnte innerlich auf, wünschte verzweifelt, er könne einfach sterben. Wie sollte er jemals Fanven gegenübertreten, seinem Freund beichten, dass er überlebt hatte, aber Roya von einem Menschen getötet wurde?
Leise Schritte näherten sich. Offenbar erfüllte Niyams Wunsch sich jetzt doch; der feindliche Krieger würde sehen, dass die Wunden noch bluteten, sein Herz also schlug.
Wenn ich ihn nur mitnehmen könnte zu Geshar !, dachte Niyam matt. Es war schwer, bei Bewusstsein zu bleiben, sein Schädel schien in tausend Stücke geschlagen, alles drehte sich, selbst mit geschlossenen Augen, und ihm war so übel, das er am liebsten geweint hätte. Roya …
Ich habe versagt, sie nicht beschützt. Hoffentlich ist er grausam, dieser Mensch, und tötet mich langsam. Ich habe es verdient.
Jemand kniete schwer atmend neben ihm nieder. Unwillkürlich spannten sich Niyams Muskeln an, er wollte fliehen. Kämpfen. Der brennende Schmerz, der ihn durchzuckte, ließ ihn qualvoll aufstöhnen.
„Niyam?“ Eine Stimme, kaum mehr als ein Flüstern.
Roya!
„Bleib liegen, Niyam, sei still. Es sind vielleicht noch mehr in der Nähe. Wir beide – bleiben wir einfach hier. Fanven wird kommen.“ Starke Hände pressten Stoff gegen seine Rückenwunde.
Mit aller Kraft drehte Niyam den Kopf, biss sich auf die Lippen, bis auch sie bluteten, um nicht zu schreien oder das Bewusstsein zu verlieren. Als er die verklebten Lider öffnete, sah er zunächst nur Nebel, Schatten und zuckende Blitze. Dann endlich klärte sich die Sicht, und er schaute in Royas Gesicht. Es war undeutlich verzerrt, erst nach einigen Malen hektisches Blinzeln wurde es besser. Ihre sonst so warmen, von heiterem Licht erfüllten Augen waren kalt. Tot. Ihre Brustschnürung, ein raffiniertes Ledergeflecht, mit dem Loy-Frauen ihre Brüste bargen, war zerrissen, ihre Hose zerfetzt. Blut befleckte ihren Leib. Sein Blut? Ihr eigenes? Niyam versuchte zu fragen, doch er konnte nicht sprechen.
„Er ist tot. Sie hatten mich überrascht, hinterrücks niedergeschlagen, gefesselt und geknebelt, bevor ich um Hilfe rufen konnte. Es war mein Fehler, ich hätte nicht von der Gruppe weggehen dürfen.“ Ihr Gesicht war ausdruckslos, die ganze Zeit ruhte der Blick ihrer toten Augen auf Niyam. Er wollte schreien, sie um Vergebung anflehen, ihr sagen, dass es sein Fehler war, nicht ihrer, seiner allein! Aber er konnte nur still daliegen und ihr zuhören. Darum kämpfen, wach genug zu bleiben, um sie zu verstehen.
„Ich hörte dich kommen, wollte dich so gerne warnen, Niyam. Es ist gut, dass du den einen erwischt hast, er war stärker als sein Kumpan. Vermutlich hätte ich ihn nicht … Ich dachte, du wärst tot.“
Roya sah fort, ihre leise Stimme schwankte kurz. Mechanisch begann sie, das Blut von Niyams Gesicht zu wischen. Er wünschte, sie würde es nicht tun, die schwache Bewegung verstärkte seine Schmerzen und die Übelkeit. Dennoch kämpfte er weiter um sein Bewusstsein, erwartete ihre nächsten Worte.
„Der Blassling nahm meinen Körper. Er verhöhnte mich, nannte mich schwarze Missgeburt, Bastard des Finsterlings, was weiß ich. Woher konnte er unsere Sprache, Niyam? Woher? Er spielte mit dem Messer, ritzte Sonnenzeichen in mich, während er mich …“ Ihr Griff um Niyams Kopf verstärkte sich unwillkürlich, er zuckte vor ihr zurück. Roya bemerkte es nicht einmal.
„Er nahm mir den Knebel, damit ich
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