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Söhne und Planeten

Söhne und Planeten

Titel: Söhne und Planeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens J. Setz
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zierlichen Körper.
    Bei dieser Vorstellung wurde ihm schlecht. Um sich zu beruhigen, gab er sich Ohrfeigen, aber seine Hände gelangten nicht bis zu seinen Wangen. Kraftlos patschten sie gegen seinen Hals.
    Völlig erschöpft schlief er zwischen den Buchseiten ein. Ein menschliches Nagetier, dachte er, eingerollt auf einem aufgeschlagenen Buch. Ein Kätzchen.
    Sein übergroßes Selbstmitleid ließ seine Lider zittern. Jetzt fielen ihm die Augen zu – er war entsetzlich müde. Er musste schlafen, sich gründlich ausruhen.
    Er dachte an die Pest und an die vielen Mauern, die zwischen Männern und Frauen errichtet sind. Pyramus und Thisbe.
    Während sein Körper, vollgesogen mit Gelesenem, wieder zu normaler Größe anwuchs, schalteten sich Tast- und Geruchsinn ab, sie waren immer die ersten, die sich verabschiedeten. Auch die Bilder, die sich seine geschlossenen Augen noch vorgaukelten, fielen einzeln in die Dunkelheit – jetzt lag er ganz allein mit seinem Gehör, dem letzten Außenposten der großen, lange umkämpften Ruine seines Körpers, und im Halbschlaf lauschte er der schwerer und größer gewordenen Nacht und den vielen stillen Phantomen, die über seine Stirn marschierten.

Fuge zu Ehren
des Sonnensystems
    Doch merkt wohl, dass am Himmel nicht mehr als sechs Stimmen zusammenklingen
.
    Johannes Kepler

1
Die Besprechung
    Der Autor versteht es zweifellos, die Handlung voranzutreiben, seine Figuren mit den Fingerspitzen oder, wenn nötig, auch mit der Pinzette hochzuhalten, ihnen Leben einzuhauchen, sie in regelmäßigen Abständen zu füttern und zu baden, und sie am Ende sogar an ein wenig mehr als an seinem eigenen Masterplan zugrunde gehen zu lassen.
    Aber natürlich ist deshalb noch lange nicht gesagt, dass der Leser von dem neuen Roman Ernst Mausers in Bann gezogen werden wird. Um es kurz zu machen: Der Leser wird in diesem Buch weder in Bann noch ins Vertrauen gezogen. Nicht einmal der Tod der weiblichen Hauptfigur dringt ganz bis zum Leser durch. Durch eine seltsame Unfähigkeit des Autors bleibt dieser bis zum Schluss unterhalb der reich bewegten Oberfläche des Textes.
    Der Tod einer Frau ist nichts Banales, aber gerade das will uns Ernst Mauser offenbar in seinem neuesten Roman verkaufen. Und selbst wenn er es nicht beabsichtigt hat, legen doch der oft wechselnde Tonfall, die unsicher schwankende Polyphonie des ganzen Romans, und, vor allem, die mühevollen Selbstquälereien der Hauptfigur diesen Schluss nahe. Es hieße, über das Ziel hinauszuschießen, wenn man das Buch als einfaches Sterbeprotokoll entlarven wollte. Es ist mit Sicherheit eines. Aber das ist nicht der Punkt.
    – Gib’s zu! Du wolltest mir eins auswischen.
    Kienspanner hielt im Kauen inne, um zu verstehen, was Mauser sagte. Gustav Kienspanner aß Kekse, sehr laute Kekse, sie krachten in seinen Ohren, in seinem Kopf.
    – Ich habe nur gesagt – wie lange bist du jetzt schon Kritiker … zwanzig, zweiundzwanzig Jahre… und nie hast du über meine Bücher geschrieben.
    – Das hat nichts zu bedeuten.
    Einen Augenblick schwiegen die beiden alten Männer. Vom Schwimmbecken her kam Gelächter, Wasser schwappte über den Rand des blauen Bassins auf den Terrassenboden. Träge Schwappgeräusche eines Nachmittags. Jemand hustete.
    – Du sollst das Wasser nicht schlucken, sagte ein anderer und wieder lachten alle.
    Mauser saß mit dem Rücken zum Geschehen, Kienspanner konnte sie sehen, die alten Männer im Schwimmbecken, die zur Verabschiedungsfeier in dem alten Haus zusammengekommen waren: hellhäutige, wabernde Gespenster, deren Haut sich unter Wasser noch heller färbte.
    Es war nun Herbst und Ernst Mauser hatte Kienspanner vor ein paar Tagen angerufen und ihm mitgeteilt, dass er gedachte, aus dem alten Haus endgültig auszuziehen. Seit Anna gestorben war, fühlte er sich dort nicht mehr wohl.
    – Ein paar Dichter, die man vor allem im Frühling lesen sollte: Jaroslav Seifert, Vicente Aleixandre, Ezra Pound, murmelte René Templ, der jüngste Teilnehmer der Schwimmrunde, auf eine vorsichtige Fangfrage des Philosophen Karl Senegger, während er auf dem Rücken durchs Wasser trieb.
    Dasselbe tat neben ihm Karl Auer, der weitaus älteste der Herren. Auer rauchte eine Zigarre. Sie ragte in den Himmel und gab kleine Rauchzeichen von sich. Wer ihn von der Seite betrachtete, sah, dass die Zigarre an Seehöhe eindeutig von seinem Bauch übertroffen wurde. Auer hielt, während er auf dem Wasser trieb, mit dem kleinen Finger sein linkes Ohr

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