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Söhne und Planeten

Söhne und Planeten

Titel: Söhne und Planeten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens J. Setz
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Gesicht. Edith rannte sofort zu ihm und stieß beinahe wieder mit Angelika zusammen, die noch einmal zurückgekommen war.
    – Du meine Güte, was ist denn passiert? Jürgen!
    Der Schüler sah sie hilflos an. Er schien sich zu schämen.
    – Als hättest du nicht schon genug Sorgen, sagte Angelika leise und nahm ihn am Arm. Edith und die Unterrichtspraktikantin blieben stehen. Die Art, wie Angelika die Leitung an sich riss, entwaffnete sie.
    – Bitte, kannst du vielleicht in meiner Klasse die Aufsicht übernehmen. Eigentlich wäre jetzt Schularbeit.
    Edith nahm etwas zerstreut die Kopien entgegen, überflog die Angaben darauf, dann ging sie ohne ein Wort davon. Die Unterrichtspraktikantin folgte ihr.
    Angelika half Jürgen dabei, die blutige Lippe mit einem Taschentuch zu bedecken. Die Hand des Jungen zuckte immer wieder vor Schmerzen. Angelika suchte in dem Verbandskasten, der im Konferenzzimmer hing, nach einem Desinfektionsmittel und fand eine fast leere Flasche Propolis.
    Jürgen wimmerte fürchterlich, als sie ihm ein mit der brennenden Flüssigkeit getränktes Taschentuch auf die Wunde drückte. Versehentlich schlug er ihr auf die Hand, sie ignorierte seinen Ausrutscher professionell. Er konnte ja nicht anders. Armer Bub.
    – Wer hat das getan?
    Jürgen gab keine Antwort. Vielleicht später. Sie würde ihn jetzt nicht verhören. Aus seinem Gesicht sprach unterdessen so viel Leid, dass sie es fast nicht übers Herz brachte, ihn einen kurzen Augenblick allein zu lassen, um ins Büro des Direktors zu gehen. Aber das Sekretariat war, wie so oft, abgeschlossen, alle Vögel ausgeflogen. Wen kümmerte es schon,was in der Schule geschah. Als Angelika zurückkehrte, stand Frau Hierzer, eine junge Englischlehrerin, in der offenen Tür des Konferenzzimmers. Auf dem Boden lagen die Scherben der Kaffeetasse, die sie vor Schreck über den Anblick des verletzten Schülers fallen gelassen hatte.
    Jürgen saß da und atmete schwer. In seiner Hand hielt er, wie eine Pistole, einen Asthma-Inhalator. Für alle Fälle.
    Im Radio lief ein Lied, das Angelika liebte.
If you’re cold I’ll keep you warm … and if you’re low … just hold on
. Kitschiger Text. Aber ihr gefiel die Melodie und die weiche, kraftvolle Stimme der Sängerin. Sie ertappte sich dabei, wie sie an einer besonders schönen Stelle mitsummte. Sofort unterbrach sie sich.
    Wie viel wusste Jürgen? Er wollte nicht mit ihr reden, also hatte die Attacke möglicherweise etwas mit ihr zu tun. Wenn es überhaupt eine Attacke gewesen war. Er wollte bestimmt nach Hause, das konnte man ihm ansehen. Was machte er überhaupt hier, an diesem Tag?
    Und warum schwieg er auf ihre Fragen? Wusste er, wer ihr Mann war? Thomas hatte ihn, Jürgen, sogar einmal auf dem Arm getragen. Wann war das gewesen? In Tagen, die lange vorbei waren, fern und abstrakt wie die Erinnerung an Gespenster.
    Nach einigen Minuten versuchte Angelika erneut, mit ihm zu reden, dachte dann an die Möglichkeit, Jürgen am Handgelenk zu nehmen und ihn in die Klasse zu schleifen, wo sie sich vorwurfsvoll vor die Schüler hinstellen und fragen würde:
Und? Wer hat dazu etwas zu sagen?
Aber sie würden natürlich schweigen, allesamt. Es waren andere Zeiten. Eshalf nichts mehr. Den Schülern gehörte die Schule, so wie einer Horde eigensinniger Katzen ein altes Haus. Die Mieter mussten lernen, mit ihnen zu leben.
    – Eine Stunde?
    – Ja, seine Mutter scheint sich nicht wirklich um ihn zu kümmern.
    – Auch irgendwie verständlich an so einem Tag. Aber trotzdem.
    – Ich meine, sicher ist ihr Sohn gestorben, aber deswegen ihr zweites Kind einfach nicht von der Schule abzuholen, wenn es verletzt ist … Er hat ja geblutet und alles.
    – Wer war’s denn? Ich hab die Klasse ja auch, ich kenne die –
    – Ach, die sind alle eine verschworene Bande.
    – Glaub ich gar nicht. Das mit der Mutter dagegen … Wenn man bedenkt, was man sonst über sie hört.
    – Was?
    – Na ja, Dinge eben, die sie in ein bestimmtes Licht rücken.
    – Die Senegger? Wirklich?
    – Ja, wenn ich’s dir sage.
    – Glaub ich nicht.
    – Na, dann eben nicht. Schadet nicht.
    – Schlimm, das mit Victor.
    – Ja, ziemlich. Und wie war das mit Jürgen?
    – Eine Schlägerei. Vor dem Konferenzzimmer und auf dem halbleeren Verbandskoffer ist jetzt alles voller Blut. Richtig dick. Wieso wird der eigentlich nicht regelmäßig aufgefüllt? Haben wir jetzt auch dafür kein Geld mehr?
    – Nein, haben wir nicht.
    – Aber ein Europa-Projekt nach

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