Söldner des Geldes (German Edition)
in Richtung der Alpen aus der Umklammerung befreit: «Der Triftgletscher hat mich tief beeindruckt.» Und mit einem schnellen Seitenblick: «Winter ist ein hervorragender Bergführer.»
«Ja. Winter ist ein Mann mit vielen Talenten.»
«Wenn Sie mich bitte entschuldigen. Ich möchte mich gern ein wenig erfrischen.»
«Selbstverständlich. Ich bin übrigens Jo. Das ist die Abkürzung von Josef, macht mich aber zwanzig Jahre jünger», gestand der flirtende von Tobler mit entwaffnender Ehrlichkeit. «Fatima.»
Winter fragte sich, wann von Tobler vom Jo zum noch persönlicheren J schritt. Von Tobler ergriff Fatimas Hand erneut, verbeugte sich leicht und erblickte dabei einen anderen Kunden: «Dann bis heute Abend.»
Im verspiegelten Lift waren sie allein, und Fatima berührte Winters Arm: «Ich glaube nicht, dass ich heute Abend dabei sein werde. Der Tag war anstrengend und aufregend.» Sie schenkte Winter ein bezauberndes Lächeln und fügte an: «Danke für meinen ersten Gletscher.»
Winter: «Gern geschehen. Es tut mir leid, wegen dem Überfall. Den habe ich nicht kommen sehen.»
«Den Schützen oder von Tobler?»
«Den Heckenschützen.»
«Schicksal. Allah hat das so gewollt.»
Sie wischte die Erinnerung mit einer Kopfbewegung weg.
Winter bewunderte Fatimas pragmatischen Fatalismus und wünschte sich, er könnte seine Vergangenheit einfach so wegstecken. Sein Vater hatte ihm von klein auf eingeredet, dass er seinen Erfolg selbst zimmern und auch für die Fehler Verantwortung übernehmen müsse. Erinnerungen tauchten auf. Für einen Moment zerfiel sein Gesicht und ein matter Hauch überzog seine Augen. Fatima beobachtete Winter nachdenklich in einem der Spiegel.
Der Lift machte: «Ping.»
Und als sie auf den weichen roten Teppich des Korridors traten, kündigte sie an: «Vielleicht gönne ich mir eine Massage. Das Spa sieht gut aus.» Sie wedelte mit einer Hotelbroschüre vor Winters Nase herum.
Winter atmete tief ein: «Ich würde mich auch lieber massieren lassen.» Er war wieder zurück in der Gegenwart.
«Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.»
Er schaute auf die Uhr: «In einer Stunde habe ich eine Verabredung.» Fatima drehte erstaunt den Kopf, und Winter fügte an: «Mit dem Chef Sicherheit des Finanzkonzerns. Er ist technisch gesehen mein Fachvorgesetzter. Falls es zu einer vollständigen Übernahme unserer Bank kommt, dann ist er vielleicht schon bald mein Chef.»
«Das sind doch nur Gerüchte.»
«Wo Rauch ist, ist auch Feuer. Ich hoffe, von Tobler bringt heute Abend in seiner Rede ein bisschen Licht ins Dunkel. Die Gerüchteküche brodelt.»
«Vorhin war von Tobler ganz schön zuversichtlich.»
Winter schwieg diplomatisch und dachte: Cholerischer Frauenheld. Sie gingen den langen Gang entlang, umkurvten ein Reinigungswägelchen, bogen zweimal um die Ecke, gingen zwischen Altbau und Anbau zwei Treppenstufen hinunter und kamen zu den Zimmern.
Winter reichte Fatima ihre Karte.
«Hier.»
«Danke.»
Sie öffneten je die schweren Zimmertüren und trafen sich drinnen zwischen den Verbindungstüren. Fünf Minuten später kamen Kaffee, Tee, Kuchen und ein Verbandskasten. Der Kellner stammte aus Marokko und sprach Französisch. Winter gab ihm ein gutes Trinkgeld.
Fatima sagte: «Oh, Winter. Tee und Kuchen. Das ist eine gute Idee. Danke vielmals. Das kann ich jetzt wirklich gebrauchen.»
Danach duschten sie. Separat.
Winter versuchte die brennende Seife von seinem verletzten Arm fernzuhalten. Unter dem warmen Wasserstrahl überfiel ihn die Müdigkeit. Er drehte den Regler auf eiskalt. Sein Herz machte einen Sprung und das Blut pulsierte. Eiswasser. Gletschersee. Er war wieder wach. Wer wollte ihn umbringen? Winter streckte seine Arme, stützte sich an der Wand ab und liess den kalten Schauer auf seinen Rücken prasseln. Heute Abend würde er Antworten einfordern.
Er stellte das Wasser ab und streifte sich den Bademantel des Hotels über, aber dieser war zu klein und scheuerte. Er zog ihn wieder aus, wickelte ein Badetuch um die Hüfte und trank einen Kaffee.
Fatima kam durch die Verbindungstür.
Bademantel und Turban: «Soll ich dich wieder verarzten?»
Winter nickte dankbar, setzte sich in einen Sessel und hob willig den Arm. Fatima öffnete den Kasten mit dem roten Kreuz und versorgte Winters Fleischwunden. Fatima war eine gnadenlose Krankenschwester. Winter konnte es nicht verhindern, dass er beim Desinfizieren zuckte. Zehn Minuten später sah er aus, als wäre er der Hauptdarsteller
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