Söldner des Geldes (German Edition)
uns unter diesen Umständen kennengelernt haben.»
«Unter anderen Umständen hätten wir uns gar nicht getroffen», entgegnete Fatima mit distanzierter Logik. Sie lächelte, und ihre weissen Zähne blitzten im Neonlicht. «Es ist besser, wenn ich in Ägypten vor Ort bin. Ich habe vorhin eine Einladung des Besitzers der Orafin bekommen. Er hat mich in sein Haus, seinen Palast eingeladen, um mit mir über die Nachfolge von Kaddour zu sprechen.»
«Heisst das, dass ich dir gratulieren kann?»
«Nein. Und behalte es noch für dich. Ich habe kein konkretes Angebot, und ich weiss auch nicht, ob ich ein solches annehmen könnte. Schliesslich wurde Kaddour in die Luft gejagt.»
Sie schwiegen beide, bis Winter sagte: «Es wäre sicher eine tolle Herausforderung, und ich glaube, dass du das gut machen würdest. Du wärst auf jeden Fall ein Vorbild für die junge Generation, vor allem für die ägyptischen Frauen.»
«Wir werden sehen.» Sie streckte förmlich die Hand aus. «Ich melde mich, wenn sich in Ägypten etwas ergeben sollte.» Winter nahm die Hand und verspürte plötzlich das Bedürfnis nach einer Umarmung. Er beliess es bei drei auf die Wangen gehauchten Küssen: «Ich halte dich von meiner Seite auf dem Laufenden. Alles Gute und viel Erfolg!»
Er schaute ihr einen Moment lang nach, spürte einen Stich im Herzen und fragte sich, ob er Fatima je wiedersehen würde. Eine Horde Japaner mit einem Fähnchen an der Spitze umschloss ihn. Nachdem er wieder Luft hatte, war Fatima weg. Winter war plötzlich furchtbar müde. Vielleicht wirkte die Gehirnerschütterung nach, vielleicht war die erfolglose Suche nach Tätern, der Abschied oder einfach das Fliegen schuld daran.
Winter fragte sich, wie es Tiger ging. Wahrscheinlich hatte ihn seine Katze nicht einmal vermisst. Tiger war Selbstversorger und schmuste mit jedem vorbeikommenden Wanderer. Oder eben mit den warmen Reifen eines Autos. Im grünen Zollbereich wurde er verhaftet.
Ben wollte ihn sehen und hatte in den elektronischen Strömen eine Flagge gesetzt, die anzeigte, wann Winter da war. Ben sah müde aus, drückte Winter die Hand viel kräftiger als Fatima vorhin: «Winter! Wie waren deine Ferien? Irgendwie siehst du alt aus.»
«Danke gleichfalls. Das Wasser war angenehm warm.»
«Kaffee?»
«Bist du unter die Gedankenleser gegangen?»
«Nein, aber Gewohnheiten machen die halbe Person aus, ob Terrorist, Banker oder Polizist.»
«Gibt es da einen Unterschied?»
«Manchmal bin ich mir nicht ganz sicher.»
«Beim Banker oder beim Terroristen?»
«Beim Polizisten.»
Sie erreichten die Kaffeemaschine, und Ben füllte schweigend zwei Becher. Sie gingen in ein multifunktionales, schmuck- und fensterloses Büro.
Ben fasste sich kurz: «Ich habe noch den Streik in Heathrow am Hals. Damit die Gepäckabfertigung nicht ganz zusammenbricht, setzen sie Personal ein, das nur minimale Sicherheitsprüfungen durchlaufen hat. Formular ausfüllen, Fotokopie eines Ausweises einreichen genügt. Das ist haarsträubend. Aber das soll nicht deine Sorge sein. Wie war es in Bergen?»
Winter gab Ben eine Zusammenfassung seines Besuches in Norwegen und schloss mit dem Widerspruch, dass Al-Bader einerseits auf der Terrorliste der CIA stehe und andererseits daran sei, in Amerika eine Bank zu gründen.
Ben: «Vielleicht hat er eine gespaltene Persönlichkeit. Oder die verschiedenen Agenturen der Amerikaner arbeiten nicht zusammen. Es wäre nicht das erste Mal, dass die linke Hand nicht weiss, was die rechte tut. Ich weiss nicht, was es genau braucht, um eine Bank zu gründen. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass Al-Bader nicht direkt, sondern über eine Firma oder einen Strohmann agiert.»
«Ich werde unsere Analysten fragen. Hast du von den Amerikanern noch etwas gehört?»
«Nein, nicht direkt. Aber seit dem Helikopterabsturz von Al-Bader haben sie die Alarmstufe für vitale Infrastrukturen erhöht.»
«Was heisst das?»
«Der amerikanische Sicherheitsausschuss schätzt die Wahrscheinlichkeit von Anschlägen auf Ölplattformen, Gas-, Wasser- und Stromversorgung höher ein als letzte Woche. Es ist nicht ganz einfach, flächendeckend alle Strommasten, Wasserleitungen und Pipelines zu schützen. Versetz dich in die Lage eines Terroristen. Sie wollen ein Klima der Angst schaffen. Sie wollen mit wenig Aufwand Anschläge verüben, die eine grosse Wirkung und Publizität haben. Stell dir vor, ein Schiff voller TNT , gesteuert von entschlossenen Selbstmordattentätern, versenkt
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