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Söldner des Geldes (German Edition)

Söldner des Geldes (German Edition)

Titel: Söldner des Geldes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Beck
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und zog einen Kopfstoss in Erwägung. Wenn Max hinter ihm stand, konnte er ihn an der Stirn erwischen. Doch es bestand die Gefahr, abzurutschen und in die Tiefe zu stürzen. Er spürte, wie Max sich an seinen Füssen zu schaffen machte. Dann durchschnitt Max mit einem Ruck die Handfesseln.
    Winter hielt sich sofort am Geländer fest.
    Max riss ihm das Klebeband von den Augenlidern und sagte: «Tschüss.»
    Der gähnende Abgrund tat sich vor Winter auf. Die Schlucht schien ins Endlose zu fallen, seitlich begrenzt durch schwarz glänzende, nasse Felswände.
    Plötzlich hörte er das Wasser rauschen. Oder war es das Blut in seinem Kopf? Winter hob den Kopf. Über dem schwarzen Tannenwald glühte ein oranger Streifen. Sonnenaufgang. Hinrichtungen finden immer im Morgengrauen statt. Aber er war zum Glück nicht in einem düsteren Gefängnishof, sondern draussen in der Natur. Und er lebte noch.
    Winter versuchte seine Füsse zu bewegen, doch die waren immer noch zusammengebunden. Ausserhalb des Geländers verlief ein schmaler Absatz. Er rutschte vom Geländer und bekam auf dem Absatz Halt. Dann liess er mit der rechten Hand das Geländer los und drehte sich blitzschnell um die eigene Achse. Winter packte den Ärmel von Max’ Jacke.
    Max trug Schwarz. Er war blond und bleich und ruhig. Sogar die Augenbrauen über den tief einliegenden Augen waren blond. Mit einer ruckartigen Drehung befreite sich Max und trat einen Schritt zurück. Er verlagerte sein Gewicht auf den linken Fuss, der in einem hoch geschnürten Kampfstiefel steckte, und traf Winter, der nicht ausweichen konnte, mit einem Karatetritt in die Rippen. Das Rückgrat knackte. Für einen Moment glaubte er, es sei gebrochen. Winter wurde von der Wucht des Fusstrittes herumgewirbelt, rutschte mit den Füssen vom Sims und hielt sich nur noch mit der linken Hand am Geländer fest.
    Unter sich das Wasser und die Felsen.
    Die Finger rutschten.
    Über sich Brüstung und Silhouette von Max: «Einen schönen 1. August.» Max trat voll gegen Winters Finger. Der Kampfstiefel brach den Fingernagel des Mittelfingers. Der gebrochene Nagel bohrte sich ins empfindliche Fleisch. Winter schrie auf und löste vor Schmerz die Hand vom Geländer.

1.   August 03:53
    Winter taumelte vom Geländer weg. Mit rudernden Armen entfernte er sich immer weiter. Zuerst nur langsam, dann immer schneller. Er versuchte sich mit den zusammengebundenen Beinen irgendwo zu halten. Hoffnungslos. Die Schwerkraft zog ihn unaufhaltsam in die Tiefe.
    Der Kopf überholte die Füsse.
    Winter sah unter der Brücke hindurch die Schlucht.
    Er sah den Brückenbogen von unten.
    Grünliche Steinquader.
    Winter trudelte kopfüber in die Tiefe. Die glatten schwarzen Felsen, das Wasser und der orange Streifen des Sonnenaufgangs zogen vor seinen Augen vorbei. Er hatte eigentlich erwartet, dass im letzten Moment seines Lebens dieses im Zeitraffer an ihm vorbeiziehen würde. Winter sog die Natur um sich herum auf. Die Farben waren brutal intensiv. Der orange Streifen am Horizont leuchtete grell, die nassen Felsen waren tiefschwarz. Ein sattgrüner Tannenbaum flog vorbei. Ein Weihnachtsbaum? Im Sommer? Er schloss die Augen.
    Aus seiner Kehle kam ein greller, unkontrollierter Schrei.
    Es war kein Angstschrei, sondern ein Schrei der Befreiung. Es war vorbei, und Winter war auf dem Weg. Das Adrenalin schoss durch seinen Körper, und er musste sich eingestehen, dass er die letzten Sekunden irgendwie genoss. Der Wind des Falls brauste. Seine Nase füllte sich mit ungeahnten Düften.
    Er öffnete die Augen wieder und sah das Wasser auf sich zurasen. Das Wasser hier unten war stahlblau. Es spiegelte den fahlen Morgenhimmel. Winter war erleichtert. Er würde ins Wasser fallen und nicht auf einem Felsen zu Brei zerschmettert.
    Es stellte sich nur die Frage, wie tief das Wasser an dieser Stelle war. Durch diese Flüsschen konnte man in der Regel hindurchwaten. Ein Bild aus seiner Jugend blitzte auf. Auf einer Schulreise mussten sie einmal barfuss einen knietiefen Bach durchqueren. Der pubertierende Winter hatte tapfer das hübsche Mädchen, das in der Schule eine Reihe vor ihm gesessen hatte, gestützt. Das Mädchen erinnerte Winter an Anne. Anne lachte verschmitzt.
    Er schlug auf. Der Kopf tauchte ins Wasser, dann Hals, Schultern und der Rücken mit der Botschaft drauf. Das Wasser war kalt und drang in den Mund und die Nase. Dann wurde Winter zurückgerissen. Er flog durch die Luft nach oben und dachte zuerst: «Das muss der Weg

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