Söldner des Geldes (German Edition)
aus, legte Portemonnaie und Telefon zum Trocknen an die Sonne und ging ins Bad. Als er in die Dusche steigen wollte, erinnerte er sich an seine Tätowierung. Er studierte seine Schulterblätter im Spiegel und entzifferte die verwischten Buchstaben.
«Raushalten!», doppelt unterstrichen. Winter schauderte bei der Erinnerung an Max und die Brücke. Er holte seine Digitalkamera und fotografierte mit Hilfe des Selbstauslösers seinen Rücken. Auch ein Rücken kann entzücken. Nachdem die Nachricht digital gesichert war, duschte er warm und ausgiebig. Nach letzter Nacht war er müde. Trotz des Feiertages konnte er nicht ausspannen. Tibère war unter keiner seiner drei Nummern erreichbar. Winter hinterliess drei Nachrichten. Parallel dazu braute er Kaffee.
Winter druckte die Fotos seines Rückens aus, frühstückte nahrhaft, füllte den Fressnapf des schmollenden Tiger und setzte sich auf den hölzernen Balkon. Die Terrasse sah noch immer gleich aus. Er erinnerte sich daran, wie er erst vor ein paar Tagen daran gearbeitet hatte. Doch das schien bereits eine Ewigkeit her zu sein. Der Tod Annes hatte ihm die Lust genommen, die Terrasse fertig zu bauen. Zuerst musste er herausfinden, wer sie angerufen und wer ihr den Liebesbrief geschrieben hatte.
Bei seiner dritten Tasse Kaffee kam Tiger angeschlichen, sprang auf seinen Schoss, rollte sich zusammen und liess sich kraulen. Wahrscheinlich hatte auch Tiger eine anstrengende Nacht hinter sich. Er war ein Jäger. Tiger schnurrte wohlig.
Die Tatsache, dass sich jemand die Mühe gemacht hatte, ihn zu beschatten und von der Brücke zu stossen, bedeutete, dass er nahe an etwas dran war.
Nur was?
Es bedeutete auch, dass dieser jemand keine Kosten scheute. Max, «Schmitt, Berger & Partner», Romero waren nicht gerade billig. Winter studierte den Ausdruck seines Rückens. Raushalten!
Aus was?
Was hatte Max gesagt? «Ihr sollt euch aus den Geschäften im Nahen Osten raushalten.» Schütz hatte davon gesprochen, dort eine Filiale zu eröffnen.
Max war nur der Bote.
Von Tobler schuldete ihm einige Antworten. Er rieb sich nachdenklich den wunden Hals. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als von Tobler den 1. August zu verderben.
1. August 09:02
Von Tobler wohnte in Oberhofen am Thunersee. Winter hatte etwa eine halbe Stunde Autofahrt, um sich auf das Gespräch mit dem CEO der Bank vorzubereiten. Dusche, frische Kleider und der Kaffee hatten Wunder gewirkt.
Nach der Autobahnausfahrt bei Thun schlängelte er sich durch die engen Strassen nach Oberhofen. Die Gemeinde lag an der Goldküste des Thunersees, einem Paradies für reiche Rentner mit Sicht auf See und Alpen. Der edle Golfplatz von Interlaken war schnell zu erreichen und die Restaurants mit gestärkten Stoffservietten zahlreich.
Winter steuerte den Audi langsam durch die engen Strassen des verwinkelten Dorfkerns und fuhr am Schloss Oberhofen vorbei. Der heute öffentlich zugängliche Herrschaftssitz stammte aus der Zeit, als die Berner Vögte noch die halbe Schweiz und Teile Frankreichs besessen hatten. Aus dem armen Fischerdorf war in einem halben Jahrhundert eine der reichsten und steuergünstigsten Gemeinden geworden.
Der Dorfplatz war wegen den Feiern zum 1. August gesperrt. Einige Männer waren daran, eine kleine Bühne mit Rednerpult für die Lokalpolitiker aufzubauen, Frauen luden Blumenschmuck aus einem Transporter. Winter wendete den Audi und kletterte entlang einer schmalen Strasse den Hang hoch. Von Tobler wohnte etwas ausserhalb in einer Patriziervilla aus dem 18. Jahrhundert, die er «ein wenig aufgewertet hatte». Mit geheiztem Schwimmbad und privatem Tennisplatz.
Winter fuhr durch eine Pappelallee, die zu einem schmiedeeisernen, mit dem Wappen des alten Berner Geschlechts verzierten Tor führte. Er hielt an, prüfte aus professioneller Neugierde den feinen elektrischen Draht auf der mit Efeu überwachsenen Mauer, schaute in eine der drei Kameras und drückte durch das offene Autofenster die Gegensprechanlage.
«Guten Morgen.»
Winter erkannte die Stimme.
«Hallo, Stefan. Ich bin’s, Winter. Ich muss mit Dr. von Tobler sprechen.» Winter hatte den Wachmann vor knapp zwei Jahren angestellt. Stefan hatte als Polizist bei einer Verfolgungsjagd mit dem Streifenwagen einen zu Fuss flüchtenden Verdächtigen abgedrängt und gegen eine Hauswand gequetscht. Der Verdächtige stellte sich als unschuldiger Tourist heraus, der in seinem Heimatland gelernt hatte, der Polizei aus dem Weg zu gehen. Er brach
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