Söldner des Geldes (German Edition)
in den Himmel sein.» Er drehte seinen Kopf und sah, dass er an einem elastischen Bungee-Jumping-Seil hing.
Winter lachte vor Erleichterung laut heraus. Er sprang etwa die Hälfte des Falles hoch, fiel wieder zurück, tauchte zum zweiten Mal ins Wasser, wurde vom Seil noch einige Male nach oben gezogen und ins Wasser getaucht und blieb schliesslich kopfüber im Wasser hängen. An den Fussgelenken spürte er die flimmernde Spannung des Seils. Seine Lunge war vom Schreien leer. Er wollte nicht ertrinken. Eine leichte Strömung zog ihn unter Wasser und rupfte sanft am Seil.
Er spannte seine Bauchmuskeln, hielt sich mit den Händen an seinen Hosen fest und zog den Kopf aus dem Wasser. Tief einatmen. Die Lunge füllte sich mit Morgenluft. Die nassen Felswände waren immer noch da. Weit oben sah er den schwarzen Streifen der Brücke, aber keine Spur von Max. Der Himmel war hell.
Winter riss das Klebeband um seine Füsse los und hangelte sich hoch. Er löste die Schlinge und liess sich ins Wasser zurückfallen. Er war frei. Winter breitete erlöst die Arme aus, trieb unter der Brücke hindurch und watete an einem kleinen Kiesstrand an Land. Winter dachte: Heute Abend steigen hier Grillpartys. Zur Feier der Schweiz. Besäufnisse inklusive.
Er inspizierte seinen fröstelnden Körper. Schürfungen an Handgelenken, Hals und Knöcheln, aber keine bleibenden Schäden. Am meisten schmerzte der gebrochene Fingernagel. Dann machte er Inventur. Seine Schlüssel und das Portemonnaie waren noch da, nass zwar, aber Max hatte sich nicht daran vergriffen. Auch das Mobiltelefon steckte erstaunlicherweise noch in seiner Jacke, doch es funktionierte nicht mehr. Die Elektronik mochte das Wasser nicht.
Ein beissender Wind blies durch die Schlucht. Schaudernd stieg er den steilen Fussweg zur Strasse hoch. Vorsichtig schlich er die letzten Meter durch das dichte Gebüsch, aber die Brücke war leer. Max hatte seinen Wagen gestohlen. Winter ging zur Mitte der Brücke, schaute in die Tiefe und schauderte erneut. Das Seil hing schlaff am Geländer.
Frierend begann er der Strasse entlangzujoggen. Das wärmte. Vielleicht würde ihn ein Auto zum nächsten Bahnhof fahren. Doch am 1. August fuhr niemand zur Arbeit. Ausser ein Milchbauer auf dem Weg zur Käserei. Kühe hatten keine Ferien.
Nach etwa fünf Minuten erreichte er flacheres Gelände, und kurz darauf lichtete sich der Wald. Die Sonne war gerade aufgegangen und warf noch lange Schatten. Die Kirchturmspitze des nächsten Dorfes war etwa zwei Kilometer entfernt. In der Ferne sah Winter eine Bahnlinie und eine Strasse. Er war zurück in der Zivilisation. Das Knattern eines kleinen Motorrades ertönte hinter ihm und wurde stärker. Ein fetter Mann in einem langen schwarzen Ledermantel mit einem halben Dutzend Einkaufstaschen an der Lenkstange tuckerte vorbei.
Er joggte durch die gelben Kornfelder in Richtung des Dorfes. Jetzt wärmte ihn auch die Sonne. Ein zweisprachiges Ortsschild verriet ihm, dass er im Grenzgebiet zwischen der West- und der Deutschschweiz war. Winter kam an einem Bauernhof vorbei und erreichte den Dorfkern. Einige Steinhäuser, das «Hôtel du Cheval Blanc», eine Poststelle, ein kleiner Gemischtwarenladen und eine weisse Kirche. Er sah keine Menschenseele. Beim Bahnhof hatte es sicher eine Telefonzelle.
Erstaunt entdeckte Winter neben dem Bahnhofsschuppen seinen Wagen. Max war so zuvorkommend gewesen, ihn hier zu parkieren. Entweder hatte ein Komplize ihn abgeholt oder er war einfach in den Zug gestiegen. Vorsichtig umrundete Winter seinen Audi. Die Motorhaube war noch warm. Keine sichtbaren Spuren auf dem Teer des Bahnhofplatzes. Winter warf einen Blick unter den Wagen und drückte vorsichtig den Türgriff. Die Tür war verriegelt. Er griff zwischen dem hinteren rechten Reifen und dem Kotflügel hindurch und tastete diesen von unten ab. Zum Glück hatte er in einer kleinen magnetischen Metallschachtel einen Reserveschlüssel. Er öffnete die Tür und warf seine nassen Sachen hinein.
Bevor Winter losfuhr, rief er von der Telefonzelle der unbedienten Bahnstation Tibère an. Unter Tibères Festnetznummer erhielt er keine Antwort. Er hinterliess eine Nachricht und bat um einen Rückruf. Die Mobilnummer war bei der Auskunft nicht verzeichnet, und sein nasses Mobiltelefon mit der gespeicherten Nummer funktionierte nicht. Er würde es später noch einmal versuchen.
Vierzig Minuten später war er zu Hause. Der Strohhalm war intakt. Er zog die immer noch feuchten Kleider
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