Söldner des Geldes (German Edition)
Küche vorbei, und von Tobler bellte durchs Fenster: «Kann ich etwas zu trinken haben?» Das Dienstmädchen in der Tracht hetzte zum Fenster, und von Tobler fragte Winter: «Nehmen Sie auch etwas?» Winter nickte. Sie gingen um das Haus herum und liessen sich in der Sitzgruppe auf der Terrasse nieder. Winter setzte sich im rechten Winkel zu seinem Vorgesetzten und schaute über den Thunersee. Die Berge am anderen Seeufer waren näher und steiler als gestern am Genfersee.
«Der Tod von Al-Bader ist tragisch für die Bank», sagte von Tobler.
Kein Wort von Anne. Winter nickte und schwieg. Das Dienstmädchen kam mit einem grossen Krug, in dem eine hellgelbe Flüssigkeit war. Ein isotonisches Getränk. Es stellte wortlos den Krug und zwei Gläser auf den Tisch und verschwand wieder. Von Tobler schenkte zuerst Winter, dann sich ein Glas ein.
«Mein Geheimrezept. Orangensaft und Schweppes Tonic. Ich muss auf die Linie achten.» Er lachte schallend, hob sein Glas zu Winter und trank es in einem Zug halb leer. Winter trank auch und musste zugeben, dass das Gemisch erfrischend schmeckte.
«Ah, der erste Schluck ist immer der beste. Das ist wie mit den Frauen.» Er grinste wieder. «Aber Sie wollten mir etwas Wichtiges sagen. Wie war es in Ägypten?»
«Interessant. Wie Sie wissen, ist auch Kaddour ermordet worden. Orafin war auf der Suche nach Investoren für ein Kernkraftwerk ausserhalb von Kairo. Al-Bader war interessiert. Deshalb wollten sie sich in der Schweiz treffen.»
«Und?» Aus dem jovialen Lebemann wurde auf einen Schlag der knallharte Machtmensch. Von Toblers Lächeln verschwand, und die Augen verengten sich.
«Heute Morgen früh erhielt ich eine Nachricht für Sie», begann Winter und erzählte von Tobler in knappen Sätzen von der Begegnung mit Max. Um Antworten zu erhalten, musste er Fragen stellen: «Welche Geschäfte machen wir im Nahen Osten?» Mit «wir» meinte er die Bank und im Speziellen von Tobler.
«Warum fragen Sie?»
Winter dachte: Defensive Gegenfrage, um Zeit zu gewinnen. Laut sagte er: «Weil Max sagte: Raushalten aus den Geschäften im Nahen Osten!» Er zog aus der Jackentasche das Foto seines Rückens mit der doppelt unterstrichenen Botschaft: «Raushalten!»
Von Tobler nahm das Foto und studierte es lange, bevor er nachdenklich antwortete: «Das Wachstum im Osten ist phänomenal: Abu Dhabi, Riad, Doha. Dort gibt es Reiche wie Sand in der verfluchten Wüste. Die Araber wollen alle ihr Geld in Sicherheit bringen. Das ist ein Bombengeschäft.» Er bemerkte seine unglückliche Wortwahl nicht oder liess sich zumindest nichts anmerken. «Wir können ihnen einen sicheren Hafen bieten. Politisch stabil. Neutral gegenüber der ganzen Welt. Und wir stellen viel weniger Fragen als die Amerikaner.» Von Tobler hatte nur Dinge gesagt, die Winter schon wusste.
«Haben wir dort irgendwelche Probleme?»
«Ich glaube nicht.» Kurz angebunden.
«Welche Geschäftsbeziehungen hat die Bank zu Orafin?»
«Orafin ist auf der Suche nach Finanzinvestoren, und sie haben uns angefragt, welche Rolle wir bei der Finanzierung des Kernkraftwerkes übernehmen wollen.» Kaddour war bereits Geschichte.
«Und?»
«Ist das ein Verhör?»
«Nein, ich versuche nur den Mord an unserer Mitarbeiterin und an zwei unserer Kunden zu klären. Mir scheint es wichtig, das Motiv zu verstehen.»
Von Tobler beugte sich vor und stellte sein Glas auf das Tischchen.
«Okay. Wir sind daran, einen Private-Equity-Fonds aufzuziehen, der sich auf Investitionen in global essenzielle Infrastrukturen spezialisiert. Wir sind erst in der Konzeptphase. Al-Bader wollte das Geld seiner arabischen Freunde bringen und wir die Beziehungen in der westlichen Finanzwelt. Damit wir erfolgreich sind, braucht es bereits bei der Lancierung eine gewisse Grösse. Ich habe Vorgespräche mit Al-Bader und einigen anderen reichen Kunden geführt und sondiert, ob sie bereit wären mitzumachen. Eines der Beteiligungsprojekte ist das Kernkraftwerk von Orafin bei Kairo.»
«Von welchen Summen sprechen wir?»
«Die amerikanische Blackstone hat etwa zwanzig bis dreissig, die französische Wendel und die australische Macquarie je etwa fünf bis zehn Milliarden Eigenkapital, je nach Wetterlage an der Börse. Dieses Kapital hebeln sie und kontrollieren damit viele Firmen, die das Zwanzig- bis Dreissigfache wert sind. Sie können selbst rechnen.»
«Geld ist Macht», sagte Winter zu sich selbst.
Von Tobler ignorierte ihn und fuhr fort: «Und die Kapitalrendite
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