Söldnerehre (German Edition)
hier: eine Stadt, die auf mehreren Seiten von natürlichen Barrieren umgeben ist. Und diese Barrieren waren sehr häufig breite Flüsse, die allem Anschein nach nicht oder nur unter großen Verlusten zu überqueren waren.« Der Kopfgeldjäger deutete auf das Modell. »Polloks bevorzugte Taktik in solchen Fällen ist es, Boote bauen zu lassen und eine große Streitmacht über den Fluss übersetzen zu lassen. Sie tragen Seile mit Fanghaken bei sich, um die Mauern zu überwinden. Pollok nutzt die Arroganz der Verteidiger gegen sie.« Der Kopfgeldjäger widmete dem Grafen einen abschätzigen Blick. Dessen Blick verdüsterte sich zusehends. Er hatte die unausgesprochene Anspielung verstanden.
»Das wäre Wahnsinn! Die Mauern sind an dieser Stelle über zehn Meter hoch. Ein Angriff über den Fluss würde Tausenden seiner Krieger das Leben kosten und wäre von vornherein zum Scheitern verurteilt.«
»Mag sein, aber Pollok ist nicht umsonst einer der besten Generäle unserer Zeit. Und er ist einer der skrupellosesten. Sein Ruf ist in beiden Fällen wohlbegründet. Es ist ihm egal, wie viele Soldaten er verliert, solange er erreicht, was er will. Ihr müsst das mal aus seiner Sicht sehen. Seine Streitmacht umfasst unzählige Männer und Waffen. Es macht ihm nichts aus, ein paar Tausend Mann zu verlieren, doch wenn der Angriff Erfolg hat, überwinden seine Truppen die Mauern und er bringt dadurch seine Leute in die Stadt. Selbst falls die List nicht erfolgreich ist, bringt es ihm einen Nutzen. Um den Angriff abzuwehren, müsst Ihr Soldaten von anderen Punkten entlang der Mauer abziehen, wodurch die Verteidigung enorm geschwächt wird. Wie dem auch sei, er zieht seine Vorteile aus der Situation.«
Graf Eskarlion öffnete den Mund, um zu widersprechen, doch er schloss ihn sogleich wieder, warf seinen Stolz über Bord und zog die Worte Logans ernsthaft in Betracht. Sein Stirnrunzeln vertiefte sich, als er über mögliche Konsequenzen eines Angriffs von der Flussseite her nachdachte. Die resultierenden Implikationen gefielen ihm kein bisschen.
»Er lässt Boote bauen, sagt Ihr?«, fragte der Graf in deutlich versöhnlicherem Tonfall, ohne aufzublicken.
»Ja.«
»Dann lasse ich meine besten Schwimmer angespitzte Pfähle unter Wasser platzieren, etwa in der Mitte des Flusses. Falls sie versuchen, das Gewässer zu überqueren, werden sie auflaufen und die Boote werden entweder kentern oder sich die Rümpfe aufreißen. Die Moyri sind ein Steppenvolk. Die meisten von ihnen können nicht schwimmen.« Der Graf lächelte leicht boshaft. »Sollen sie doch ersaufen.«
Er blickte auf und musterte Logan ein weiteres Mal.
»Danke.«
Das Wort klang ehrlich und Kilian kam nicht umhin, seine anfängliche Meinung über den Mann ins Positive zu korrigieren. Nicht viele Männer hätten die Größe besessen, ihren Fehler einzusehen.
»Dann können wir also der Belagerung standhalten?«, verlangte Faris Lenard aus der zweiten Reihe zu erfahren.
Der Graf seufzte. »Wir können einem direkten Angriff standhalten. Das ist allerdings auch alles. Wie es bei einer längeren Belagerung aussieht, das steht auf einem anderen Blatt.«
»Nahrungsmittel?!«, mutmaßte Logan.
Der Graf nickte mit verkniffenem Gesichtsausdruck. »Wir haben alles an Nahrungsmitteln im Umkreis der Stadt in die Mauern schaffen lassen. Außerdem habe ich Jagdtrupps in den Wäldern, die so viel Wild wie nur möglich schießen. Und wir haben auch genügend Salz, um das Fleisch haltbar zu machen. Allerdings …« Er zögerte.
»Ja?«, half Miriam nach.
»Allerdings befinden sich weit mehr Menschen in der Stadt, als ursprünglich irgendjemand geplant hatte. Selbst mit strikter Rationierung werden uns die Nahrungsmittel schon nach wenigen Wochen ausgehen. Wenn Pollok klug ist, hungert er uns einfach aus, ohne auch nur einen seiner Männer in Gefahr zu bringen.«
Logan schnaubte belustigt. »Das wird er nicht tun.«
»Du klingst sehr sicher«, hakte Kilian nach.
»Er ist kein geduldiger Mann. Pollok wird versuchen, diese Stadt schnellstmöglich zu nehmen. Außerdem steht er vor den gleichen Problemen wie ihr. Er hat viele Mäuler zu stopfen. Und wenn eure Jäger das Wild in den umliegenden Wäldern schießen, steht er vor einem noch größeren Problem.« Logan schüttelte entschlossen den Kopf. »Nein, er wird seine Streitmacht in Wellen angreifen lassen, um eure Verteidigung zu zermürben. Pollok hat die Reserven, sich eine solche Attacke leisten zu können. Ihr nicht. Er
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