Söldnerehre (German Edition)
Schulter in Richtung des Scheiterhaufens. »Sind für uns gestorben. Sie haben sich unser Vertrauen verdient. Sag es ihm. Schluss mit dem Versteckspiel. Es reicht.«
Lyra rieb sich die schmerzende Kehle. Kilians Finger hatten tiefe Abdrücke hinterlassen, die sich bereits bläulich verfärbten.
»Auf deine Verantwortung, Faris.«
Der alte Mann nickte lediglich.
»Die Kinder sind die Söhne und Töchter von König Miras und Königin Cassiopeia, die letzten Überlebenden aus dem Hause Varis. Und Miriam als ältestes Kind ist automatisch die Thronerbin. Sie ist unsere Königin, unsere letzte Hoffnung auf Widerstand gegen die Moyri. Sie muss es unbedingt nach Erys schaffen. Nichts anderes ist von Bedeutung.«
Kilian fühlte sich, als hätte ihm jemand den Boden unter den Füßen weggezogen. Er taumelte und setzte sich schwer auf den nächstbesten Stuhl. Lyra sprach ungerührt weiter.
»Ich war als Amme und Leibwächterin für die Kinder verantwortlich. In der Nacht, als Eriakum fiel, flohen wir aus der umkämpften Stadt. Coyle Pollok würde alles dafür geben, die Kinder umzubringen.«
Wie in Trance sah Kilian zu Faris auf. »Und du? Wie passt du in diese Geschichte?«
Faris schnaubte belustigt. »Ich? Ich bin sozusagen ein Freund der Familie.«
»Faris war General unter König Miras«, erzählte Lyra. »Sogar einer seiner Spitzengeneräle. Als die Schlacht verloren war, floh er mit uns aus der Stadt, um mir dabei zu helfen, die Kinder zu beschützen.«
Kilian kicherte. Es war ihm durchaus bewusst, dass es kaum die angemessene Reaktion auf das Gehörte war, doch er konnte einfach nicht anders. Das Kichern wuchs zu einem ausgewachsenen Lachen heran, bis sein Brüllen durch den Raum hallte. Lyra und Faris wechselten unschlüssige Blicke.
»Ihr seid mir so ein paar Helden. Und ihr denkt wirklich, dass irgendetwas dabei herauskommt, wenn ihr die Kinder nach Erys bringt? Seid ihr tatsächlich so verblendet?«
»Erys ist der einzig sichere Ort«, widersprach Lyra.
»Und wie lange? Pollok wird inzwischen auf dem Weg sein. Was glaubt ihr, wie lange sich die Stadt gegen seine Armeen wird halten können? Tage? Wochen? Und das Schlimmste ist, dass ihr tatsächlich denkt, Miriam bringe euch Hoffnung. Sie ist nur ein Kind, nichts weiter. Seit ich sie kenne, hat sie keine zwei Sätze gesagt. Und sie soll euch helfen, die Moyri zu stoppen? Ihr seid ja so naiv.«
»Ganz so einfach wird es natürlich nicht werden«, erläuterte Faris Lenard. »Sie ist jedoch vor allem ein Symbol. Sie wird den Geist der Menschen beflügeln. Unser Volk ist auf der Flucht, weil alle denken, die königliche Familie sei tot. Miriam und ihre Geschwister beweisen das Gegenteil. Ihre Anwesenheit wird unsere Truppen in Erys doppelt so tapfer kämpfen lassen.«
»Und daran glaubst du?«
Faris seufzte. »Das muss ich, Kilian. Das muss ich. Und außerdem – nach Erys zu ziehen, war Miriams Idee. Ich glaube, du unterschätzt sie gewaltig.«
»Ihr seid alle eine Bande von Narren!«, fauchte Kilian und sprang auf. »Und uns habt ihr in euer Lügengebilde mit hineingezogen.« Er funkelte Lyra wütend an. »Du hättest mir – uns – die Wahrheit sagen sollen. Es wäre unser Recht gewesen zu wissen, worauf wir uns einlassen.«
»Ich … ich wusste nicht, ob ich dir trauen kann. Und deiner Truppe. Ihr wart nur eine Bande von Söldnern, die …« Sie verstummte mitten im Satz und sah peinlich berührt zu Boden
»Die man benutzen und verheizen kann«, vollendete Kilian den Satz für sie.
Lyra lief hochrot an und nickte bedrückt. Vor Scham schlug sie die Augen nieder. »Wir wussten nicht, ob ihr unser Vertrauen verdient«, fügte sie leise hinzu. »Es tut mir leid.«
»Darian ist für euch und eure Hoffnung gestorben. Ist das Beweis genug für dich und deinesgleichen?«
Kilian ging zwei Schritte auf die Tür zu, zögerte jedoch noch einen Augenblick.
»Vielleicht verdient ihr unser Vertrauen nicht«, sagte er in ruhigem Tonfall über seine Schulter, bevor ihn seine Schritte aus dem Raum und vor allem aus ihrer Gegenwart führten.
Lyra sah noch lange Zeit wie betäubt durch die Tür, durch die er verschwunden war, und Tränen sammelten sich in ihren Augen. Faris Lenard wusste nicht, wie er sie hätte trösten können.
»War es richtig, es ihm zu sagen?«, fragte sie den alternden General. »Was hält ihn jetzt noch auf, uns im Stich zu lassen? Vor allem nach Darians Tod?«
»Womöglich tut er es«, erwiderte Faris müde. »Doch vielleicht wird er
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