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Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Titel: Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Leberzelle produziert andere Proteine als eine Nervenzelle oder eine Hautzelle. Aber in der Leberzelle, der Nervenzelle und der Hautzelle finden wir dasselbe DNS-Molekül, das den gesamten Bauplan für den Organismus enthält, von dem hier die Rede ist.«
    »Erzähl weiter!«
    »Als es in der Atmosphäre keinen Sauerstoff gab, gab es auch noch keine schützende Ozonschicht um den Erdball. Das heißt, nichts hielt die Strahlung aus dem Weltraum auf. Auch das ist wichtig. Denn gerade diese Strahlung hat wahrscheinlich bei der Bildung der ersten komplizierten Moleküle eine wichtige Rolle gespielt. Eine solche kosmische Strahlung war auch die eigentliche Energie, die die verschiedenen chemischen Substanzen auf der Erde zu Makromolekülen zusammengefügt hat.«
    »Alles klar.«
    »Ich präzisiere: Damit sich die komplizierten Moleküle bilden konnten, aus denen alles Leben besteht, mussten mindestens zwei Bedingungen erfüllt sein: Es durfte keinen Sauerstoff in der Atmosphäre geben und es musste Strahlung aus dem Weltraum bis zur Erde durchkommen .«
    »Ich verstehe.«
    »In dem ›kleinen warmen Teich‹ – oder der ›Ursuppe‹, wie die Wissenschaft heute gern sagt – wurde dann irgendwann ein ungeheuer kompliziertes Makromolekül gebildet, das die seltsame Eigenschaft hatte, sich selber teilen zu können. Und damit setzte die lange Entwicklung ein, Sofie. Wenn wir das etwas vereinfachen, dann können wir schon jetzt vom ersten Erbmaterial sprechen, der ersten DNS oder der ersten lebenden Zelle. Sie teilte und teilte sich – aber von Anfang an kam es auch immer wieder zu Mutationen. Nach ungeheuer langer Zeit schlossen sich dann solche einzelligen Organismen zu komplizierteren mehrzelligen Organismen zusammen. Auf diese Weise setzte auch die Photosynthese der Pflanzen ein und in der Folge bildete sich eine sauerstoffhaltige Atmosphäre. Die war von doppelter Bedeutung. Erstens sorgte die Atmosphäre dafür, dass sich Tiere entwickeln konnten, die Luft atmeten; und zweitens beschützte sie das Leben vor schädlicher Strahlung aus dem Weltraum. Denn gerade diese Strahlung – die vielleicht ein wichtiger ›Funken‹ für die Entstehung der ersten Zelle war – ist für alles Lebendige schädlich.«
    »Aber die Atmosphäre ist doch wohl nicht über Nacht entstanden? Wie sind dann die ersten Lebensformen zurechtgekommen?«
    »Das Leben entstand im ursprünglichen Meer – das wir also als ›Ursuppe‹ bezeichnen. Dort konnten sie beschützt vor der gefährlichen Strahlung leben. Erst viel später – nachdem das Leben im Meer eine Atmosphäre gebildet hatte – krochen die ersten Amphibien an Land. Und den Rest haben wir schon erzählt. Hier sitzen wir in einer Waldhütte und blicken zurück auf einen Prozess, der drei oder vier Milliarden Jahre gedauert hat. Und gerade in uns ist dieser lange Prozess zum Bewusstsein seiner selbst gekommen.«
    »Aber du meinst, dass alles nur ein reiner Zufall war?«
    »Nein, das habe ich nicht gesagt. Das Plakat zeigt ja auch, dass die Entwicklung einer bestimmten Richtung gefolgt ist. Durch Millionen von Jahren hindurch haben sich Tiere mit immer komplizierteren Nevensystemen – und schließlich auch mit immer größeren Gehirnen – gebildet. Ich glaube nicht, dass das Zufall war. Was meinst du?«
    »Das menschliche Auge kann einfach nicht durch einen puren Zufall entstanden sein. Meinst du nicht, es hat einen Sinn, dass wir die Welt um uns herum sehen können?«
    »Das mit der Entwicklung des Auges hat auch Darwin gewundert. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass etwas so Feines wie ein Auge durch natürliche Auslese entstehen kann.«
    Sofie blickte zu Alberto auf. Sie überlegte sich, wie seltsam es war, dass sie gerade jetzt lebte, dass sie nur einmal lebte, und dass sie nie mehr ins Leben zurückkehren würde. Plötzlich rief sie:
     
    »Was soll uns denn das ewge Schaffen!
    Geschaffenes zu nichts hinwegzuraffen!«
    Nun blickte Alberto sie streng an:
    »So darfst du nicht sprechen, mein Kind. Das sind die Worte des Teufels.«
    »Des Teufels?«
    »Oder des Mephistopheles – in Goethes ›Faust‹. ›Was soll uns denn das ewge Schaffen! Geschaffenes zu nichts hinwegzuraffen!‹«
    »Und wie sind diese Worte zu verstehen?«
    »Als Faust stirbt – und auf sein langes Leben zurückblickt –, sagt er triumphierend:
     
    ›Verweile doch, du bist so schön!
    Es kann die Spur von meinen Erdetagen
    Nicht in Äonen untergehn. –
    Im Vorgefühl von solchem hohen

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