Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie
Tierarten, die es bisher auf der Erde gegeben hat. Du siehst zum Beispiel, dass eine Gruppe wie die Trilobiten völlig ausgestorben ist.«
»Und ganz unten stehen die einzelligen Tiere.«
»Einige davon haben sich vielleicht in zwei Jahrmilliarden nicht verändert. Du siehst auch, dass eine Linie von diesen einzelligen Organismen ins Pflanzenreich führt. Denn auch die Pflanzen stammen wahrscheinlich von derselben Urzelle ab wie alle Tiere.«
»Das sehe ich. Aber jetzt habe ich eine Frage.«
»Ja?«
»Woher kam diese erste ›Urzelle‹? Kann Darwin uns das erzählen?«
»Ich habe ja gesagt, dass er ein vorsichtiger Mann war. Aber an diesem Punkt gestattete er sich doch einmal eine Spekulation. Er schrieb:
›... falls (und ach! was für ein falls!) wir uns irgendeinen warmen kleinen Teich vorstellen könnten, in dem alle Arten von ammoniak- und phosphorhaltigen Salzen, Licht, Wärme, Elektrizität und so weiter vorhanden wären, und dass sich darin chemisch eine Proteinverbindung bildete, die noch kompliziertere Veränderungen durchmachen könnte ...‹«
»Ja, was dann?«
»Worüber Darwin hier philosophierte, war, wie die erste lebendige Zelle wohl aus anorganischer Materie entstanden sein könnte. Und wieder traf er den Nagel auf den Kopf. Die heutige Wissenschaft geht nämlich davon aus, dass die erste primitive Lebensform in so einem ›warmen kleinen Teich‹ entstanden ist, wie Darwin ihn sich vorgestellt hat.«
»Erzähl!«
»Eine Skizze muss reichen und vergiss nicht, dass wir Darwin jetzt verlassen. Wir machen einen Sprung zur allerneuesten Forschung über den Ursprung des Lebens auf der Welt.«
»Das macht mich fast ein bisschen nervös. Niemand weiß doch wohl, wie das Leben entstanden ist?«
»Vielleicht nicht; aber immer mehr Teile eines Bildes, wie das Leben entstanden sein könnte , fügen sich zusammen.«
»Weiter!«
»Lass uns zuerst feststellen, dass alles Leben auf der Erde – sowohl der Pflanzen als auch der Tiere – auf genau denselben Stoffen aufbaut. Die einfachste Definition von Leben besagt, alles Lebendige besitzt einen Stoffwechsel und pflanzt sich selbständig fort. Alles Leben wird dabei von einem Stoff gelenkt, den wir als DNS – Desoxyribonukleinsäure – bezeichnen. Aus ihr bestehen die Chromosomen oder das Erbmaterial, das in allen lebenden Zellen vorkommt. Die DNS ist ein sehr kompliziertes Molekül – oder Makromolekül, wie wir auch sagen. Die Frage ist also, wie das erste DNS-Molekül entstanden ist.«
»Ja?«
»Die Erde entstand, als sich vor einigen Milliarden von Jahren das Sonnensystem bildete. Ursprünglich war sie eine glühende Masse, aber nach und nach kühlte die Erdkruste ab. Und die moderne Wissenschaft meint, das Leben sei vor vielleicht drei bis vier Jahrmilliarden entstanden.«
»Das klingt total unwahrscheinlich.«
»Das darfst du erst sagen, wenn du den Rest gehört hast. Erstens musst du dir merken, dass die Erde damals ganz anders aussah als heute. Es gab noch kein Leben und es gab in der Atmosphäre auch keinen Sauerstoff. Freier Sauerstoff entstand erst durch die Photosynthese der Pflanzen. Und es ist wichtig, dass es keinen Sauerstoff gab. Es ist unvorstellbar, dass die Bausteine des Lebens – die nun wiederum DNS bilden können – in einer sauerstoffhaltigen Atmosphäre entstanden sein könnten.«
»Warum nicht?«
»Weil Sauerstoff ein sehr reaktiver Stoff ist. Die Bausteine des DNS-Moleküls wären längst oxidiert, ehe sich komplizierte Moleküle wie die DNS hätten bilden können.«
»Aha.«
»Deshalb wissen wir auch mit Sicherheit, dass heute kein neues Leben entsteht, ja, nicht einmal eine Bakterie oder ein Virus. Alles Leben auf der Erde muss also genau gleich alt sein. Ein Elefant hat einen ebenso langen Stammbaum wie die einfachste Bakterie. Du kannst fast sagen, dass ein Elefant – oder ein Mensch – in Wirklichkeit eine zusammenhängende Kolonie aus einzelligen Tieren ist. Denn in jeder einzelnen Zelle unseres Körpers haben wir genau dasselbe Erbmaterial. Das gesamte Rezept dafür, wer wir sind, liegt noch in unserer kleinsten Körperzelle.«
»Ein seltsamer Gedanke.«
»Eines der großen Rätsel des Lebens ist, dass die Zellen in einem mehrzelligen Tier trotzdem fähig sind, sich auf ihre jeweilige Funktion zu spezialisieren. Denn nicht alle verschiedenen Erbeigenschaften kommen in allen Zellen zum Einsatz. Einige dieser Eigenschaften – oder Gene – sind ›ab-‹ und andere ›eingeschaltet‹. Eine
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