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Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Titel: Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Glück
    Genieß ich jetzt den höchsten Augenblick.‹«
    »Das hat er schön gesagt.«
    »Aber nun kommt der Teufel an die Reihe. Kaum ist Faust tot, ruft er:
     
    ›Vorbei! ein dummes Wort! Warum vorbei?
    Vorbei und reines Nichts, vollkommnes Einerlei!
    Was soll uns denn das ewge Schaffen!
    Geschaffenes zu nichts hinwegzuraffen!
    Da ist’s vorbei!’ Was ist daran zu lesen?
    Es ist so gut, als wär es nicht gewesen,
    Und treibt sich doch im Kreis, als wenn es wäre.
    Ich liebte mir dafür das Ewig-Leere.‹«
    »Wie pessimistisch. Da hat mir das erste Zitat besser gefallen. Obwohl sein Leben zu Ende ging, fand Faust doch eine Bedeutung in den Spuren, die er hinterlassen würde.«
    »Denn ist es nicht auch eine Konsequenz von Darwins Entwicklungslehre, dass wir an etwas Großem teilhaben, wo noch die kleinste Lebensform im großen Zusammenhang wichtig ist? Wir sind der lebendige Planet, Sofie! Wir sind das große Boot, das eine brennende Sonne im Universum umsegelt. Aber jede und jeder von uns ist auch ein Boot, das mit Genen beladen durchs Leben segelt. Wenn wir diese Ladung in den nächsten Hafen gebracht haben – dann haben wir nicht umsonst gelebt. Bjørnstjerne Bjørnson hat in seinem Gedicht ›Psalm II‹ denselben Gedanken zum Ausdruck gebracht:
     
    Ehre dem wenigen Frühling im Leben,
    Der alles durchweht!
    Kleinstem wird Auferstehung gegeben,
    Die Form nur vergeht.
    Geschlecht auf Geschlecht
    Müht sich emporzuschreiten;
    Art bringt Art hervor
    In unendlichen Zeiten;
    Welten gehn unter und steigen empor!
     
    Tauch in die Wonnen des Lebens, du Blüte
    Im Frühlingsrain;
    Genieße, preisend des Ewigen Güte,
    Dein kurzes Sein.
    Füg auch du
    Schaffend dein Scherflein hinzu;
    Klein und zag,
    Atme, soviel deine Kraft vermag,
    Einen Zug in den ewigen Tag!«
    »Wie schön!«
    »Aber jetzt ist Schluss. Ich sage nur: Abschnitt!«
    »Hör jetzt auf mit deiner Ironie!«
    »Abschnitt! habe ich gesagt. Hör auf das, was ich dir sage!«

Freud
    ... ein hässlicher, egoistischer Wunsch war in ihr aufgetaucht ...
    Hilde Møller Knag sprang mit dem schweren Ordner in den Armen aus dem Bett. Sie legte ihn auf den Schreibtisch, rannte mit ihren Kleidern ins Badezimmer, duschte höchstens zwei Minuten lang und zog sich in aller Hast an. Dann rannte sie hinunter ins Erdgeschoß.
    »Frühstück, Hilde?«
    »Ich muss nur erst ein bisschen rudern.«
    »Aber Hilde!«
    Hilde rannte aus dem Haus und durch den Garten. Sie band das Boot vom Steg los und sprang hinein. Dann begann sie zu rudern. Sie ruderte ziellos durch die Bucht, zuerst mit wütenden Schlägen, dann kam sie langsam zur Ruhe.
    »Wir sind der lebendige Planet, Sofie! Wir sind das große Boot, das eine brennende Sonne im Universum umsegelt. Aber jede und jeder von uns ist auch ein Boot, das mit Genen beladen durchs Leben segelt. Wenn wir diese Ladung in den nächsten Hafen gebracht haben – dann haben wir nicht umsonst gelebt ...«
    Hilde konnte es auswendig. Schließlich war es ja auch für sie geschrieben. Nicht für Sofie, sondern für sie. Alles, was im Ordner stand, war ein Brief ihres Vaters an sie.
    Sie nahm die Ruder aus den Ruderklampen und zog sie ins Boot. Nun ließ sie das Boot auf dem Wasser treiben und auf und ab wippen. Das Wasser klatschte sanft gegen den Boden.
    Wie das kleine Boot auf dem Wasser einer kleinen Bucht in Lillesand trieb, so war auch sie nur eine Nussschale auf der Oberfläche des Lebens.
    Wo waren Sofie und Alberto in diesem Bild? Ja, wo waren Sofie und Alberto?
    Sie konnte es einfach nicht hinnehmen, dass die beiden nur »elektromagnetische Impulse« im Gehirn ihres Vaters sein sollten. Es machte keinen Sinn, dass die beiden nur Papier und Druckerschwärze von einem Farbband in der Reiseschreibmaschine ihres Vaters waren. Genauso gut könnte sie sich selber einfach als Anhäufung von Proteinverbindungen bezeichnen, die irgendwann »in einem warmen kleinen Teich« zusammengerafft worden waren. Aber sie war mehr als nur das. Sie war Hilde Møller Knag!
    Der große Ordner war wirklich ein phantastisches Geburtstagsgeschenk. Und sicher hatte ihr Vater in ihr eine neue Saite zum Schwingen gebracht. Aber der kesse Ton, in dem er inzwischen über Sofie und Alberto schrieb, gefiel ihr nicht.
    Dafür würde er schon auf dem Heimweg einen Denkzettel verpasst bekommen. Das war sie den beiden, über die sie las, schuldig. Hilde sah ihren Vater schon wie einen Kobold auf dem Flugplatz von Kopenhagen herumwuseln.
    Dann hatte Hilde sich

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