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Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Titel: Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Würstchen vor die Tür geschickt wird, während die anderen sich etwas ausdenken, was das arme Würstchen erraten soll, wenn es wieder ins Zimmer kommt. Die anderen beschließen, an die Katze Mons zu denken, die im Moment im Nachbargarten sitzt. Dann kommt das arme Würstchen wieder herein und fängt an zu raten. Die anderen dürfen nur mit »Ja« oder »Nein« antworten. Wenn das arme Würstchen ein guter Aristoteliker ist – und dann ist es gar kein armes Würstchen –, dann kann das Gespräch ungefähr so verlaufen: Ist es konkret? (Ja!) Gehört es zum Mineralreich? (Nein!) Ist es lebendig? (Ja!) Gehört es zum Pflanzenreich? (Nein!) Ist es ein Tier? (Ja!) Ist es ein Vogel? (Nein!) Ist es ein Säugetier? (Ja!) Ist es das ganze Tier? (Ja!) Ist es eine Katze? (Ja!) Ist es Mons? (Jaaaaaa! Lachen ...)
    Es war also Aristoteles, der dieses Gesellschaftsspiel erfunden hat. Platon dagegen kommt die Ehre zu, »Verstecken im Dunkeln« erfunden zu haben. Demokrit haben wir ja schon die Ehre zuerkannt, die Legosteine erfunden zu haben.
    Aristoteles war ein peinlich genauer Mann der Ordnung, der in den Begriffen der Menschen aufräumen wollte. Auf diese Weise hat er auch die Logik als Wissenschaft begründet. Er stellte mehrere strenge Regeln dafür auf, welche Schlüsse oder Beweise logisch gültig sind. Ein Beispiel muss uns reichen: Wenn ich zuerst feststelle, dass »alle lebenden Wesen sterblich sind« (1. Prämisse), und dann feststelle, dass »Hermes ein lebendes Wesen ist« (2. Prämisse), dann kann ich die elegante Schlussfolgerung daraus ziehen, dass »Hermes sterblich ist«.
    Das Beispiel zeigt, dass es bei Aristoteles’ Logik um das Verhältnis zwischen Begriffen geht, in diesem Fall »lebendes Wesen« und »sterblich«. Selbst wenn du Aristoteles darin Recht geben musst, dass der angeführte Schluss hundertprozentig haltbar ist, müssen wir vielleicht zugeben, dass er uns nicht gerade etwas Neues erzählt. Wir wussten schließlich bereits, dass Hermes »sterblich« ist. (Er ist ja ein Hund und alle Hunde sind »lebende Wesen« – und also »sterblich«, im Gegensatz zu den Steinen im Gebirge.) Doch, Sofie, das wussten wir schon. Aber nicht immer erscheint uns das Verhältnis zwischen Gruppen oder Dingen als so einleuchtend. Ab und zu kann es nötig sein, in unseren Begriffen aufzuräumen.
    Ich begnüge mich mit einem Beispiel: Kann es wirklich sein, dass winzig kleine Mäusejunge bei ihrer Mutter genauso Milch saugen wie Schafe oder Schweine? Das hört sich unleugbar seltsam an, aber wir müssen uns überlegen: Mäuse legen jedenfalls keine Eier. (Wann habe ich zuletzt ein Mäuseei gesehen?) Also gebären sie lebendige Junge – genau wie Schweine oder Schafe. Aber Tiere, die lebendige Junge gebären, nennen wir Säugetiere – und Säugetiere saugen nun einmal bei ihren Müttern Milch. Damit haben wir unser Ziel erreicht. Wir hatten die Antwort in uns, aber wir mussten erst nachdenken. In der Eile hatten wir vergessen, dass Mäuse wirklich bei ihren Müttern Milch saugen. Vielleicht lag das daran, dass wir nie Mäusekinder beim Milchsaugen gesehen haben. Und das kommt natürlich daher, dass Mäuse sich vor Menschen ein bisschen genieren, wenn sie ihre Kinder füttern.
Die Trittleiter der Natur
    Wenn Aristoteles im Dasein »Ordnung schaffen« will, weist er als Erstes darauf hin, dass alles, was in der Natur vorkomme, in zwei Hauptgruppen eingeteilt werden könne. Einerseits haben wir seelenlose Dinge – wie Steine, Wassertropfen und Erdklumpen. Ihnen wohnt keine Möglichkeit zur Veränderung inne. Solche seelenlosen Dinge können sich laut Aristoteles nur durch Einwirkung von außen verändern. Andererseits haben wir lebende Wesen , denen die Möglichkeit zur Veränderung innewohnt.
    Die Natur, so Aristoteles, schreitet von den unbeseelten Dingen zu den lebenden Wesen allmählich fort. Auf das Reich der unbeseelten Dinge folgt erst das Reich der Pflanzen , die »im Verhältnis zu den leblosen Dingen fast wie beseelt, im Verhältnis zu den Tieren aber fast wie unbeseelt« erscheinen. Schließlich teilt Aristoteles auch die lebenden Wesen in zwei Untergruppen ein, nämlich in Tiere und Menschen .
    Du musst zugeben, dass diese Einteilung, trotz der spürbaren Unsicherheit in Bezug auf die Pflanzen, klar und übersichtlich ist. Zwischen lebenden und nichtlebenden Dingen besteht ein wesentlicher Unterschied. Auch zwischen Pflanzen und Tieren besteht ein wesentlicher Unterschied, zum Beispiel zwischen einer Rose

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