Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie
Frage, wie der Staat organisiert werden sollte. (Du erinnerst dich doch sicher an Platons Staat der Philosophen?) Aristoteles nennt verschiedene gute Staatsformen. Eine davon ist die Monarchie – das heißt, dass es nur einen einzigen obersten Staatschef gibt. Damit diese Staatsform gut ist, darf sie aber nicht zur »Tyrannei« verkommen, bei der ein Einzelherrscher den Staat zu seinem eigenen Vorteil lenkt. Eine weitere gute Staatsform ist die Aristokratie . In einer Aristokratie gibt es eine kleinere oder größere Gruppe von Herrschenden. Diese Staatsform muss sich hüten, nicht zur Herrschaft einiger weniger herabzusinken, was wir heute vielleicht als »Junta« bezeichnen würden. Eine dritte gute Staatsform ist die Demokratie . Aber auch diese Staatsform hat ihre Kehrseite. Eine Demokratie kann sich leicht zur Pöbelherrschaft entwickeln. (Auch wenn der Tyrann Hitler nicht Deutschlands Staatschef geworden wäre, hätten die vielen kleinen Nazis womöglich eine schreckliche »Pöbelherrschaft« errichten können.)
Frauenbild
Ganz zum Schluss müssen wir etwas über Aristoteles’ Frauenbild sagen. Es war leider nicht so ermutigend wie das von Platon. Aristoteles meinte im Grunde, dass der Frau etwas fehle. Sie sei ein »unvollständiger Mann«. Bei der Fortpflanzung sei die Frau passiv und empfangend, während der Mann aktiv und gebend sei. Deshalb erbe das Kind nur die Eigenschaften des Mannes, glaubte Aristoteles. Er meinte, alle Eigenschaften des Kindes lägen bereits fertig im Samen des Mannes. Die Frau war für ihn wie das Erdreich, das nur aufnimmt und das Saatkorn hervorbringt, während der Mann der »Sämann« selber war. Oder, echt aristotelisch gesagt: Der Mann gibt die »Form«, die Frau den »Stoff«.
Dass ein ansonsten so kluger Mann wie Aristoteles sich bei der Beziehung der Geschlechter dermaßen irren konnte, ist natürlich überraschend und außerdem sehr bedauerlich. Aber es zeigt zwei Dinge: Aristoteles konnte erstens nicht viele praktische Erfahrungen mit dem Leben von Frauen und Kindern haben. Und zweitens zeigt es, wie schief alles laufen kann, wenn die Männer die Alleinherrschaft in Philosophie und Wissenschaft an sich reißen.
Besonders schlimm war Aristoteles’ irriges Frauenbild, weil seine – und nicht Platons – Ansicht während des Mittelalters zur vorherrschenden wurde. So erbte auch die Kirche ein Frauenbild, für das es in der Bibel keine Berechtigung gibt. Jesus war nun wirklich kein Frauenfeind!
Mehr sage ich nicht! Aber du wirst wieder von mir hören.
Als Sofie das Kapitel über Aristoteles zweimal gelesen hatte, steckte sie die Blätter wieder in den gelben Briefumschlag und schaute sich in ihrem Zimmer um. Sofort sah sie, wie unordentlich alles war. Auf dem Boden lagen Bücher und Ordner. Aus dem Kleiderschrank flatterten Socken und Blusen, Strümpfe und Jeans. Auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch lagen wild durcheinander schmutzige Kleider.
Sofie verspürte den unwiderstehlichen Drang aufzuräumen . Als Erstes leerte sie alle Fächer im Kleiderschrank. Die Kleider legte sie auf den Boden. Es war wichtig, ganz von vorne anzufangen. Also begann sie die mühselige Arbeit, alle Kleidungsstücke ordentlich zusammenzufalten und in die Fächer zu legen. Im Schrank gab es sieben Fächer. Sofie reservierte eins für Unterhosen und Unterhemden, eins für Socken und Strumpfhosen und eins für lange Hosen. So füllte sie der Reihe nach alle Fächer im Schrank. Sie hatte nie Zweifel daran, wohin ein Kleidungsstück gehörte. Sachen, die gewaschen werden sollten, steckte sie in eine Plastiktüte, die sie im untersten Fach gefunden hatte.
Nur ein einziges Kleidungsstück machte ihr Probleme. Und zwar ein ziemlich normaler weißer Kniestrumpf. Das Problem war nicht nur, dass der zweite Strumpf fehlte. Der Strumpf hatte außerdem nie Sofie gehört.
Sie betrachtete den weißen Strumpf mehrere Minuten lang. Auf ihm stand kein Name, aber Sofie hatte einen starken Verdacht, wem er gehören könnte. Sie warf ihn mit einer Tüte Legosteine, einer Videokassette und einem roten Seidenschal ins oberste Fach.
Nun kam der Fußboden an die Reihe. Sofie sortierte Bücher und Ordner, Zeitschriften und Plakate – genau wie ihr Philosophielehrer das im Kapitel über Aristoteles beschrieben hatte. Als sie mit dem Boden fertig war, räumte sie zuerst ihr Bett auf, dann machte sie sich über den Schreibtisch her.
Als allerletztes legte sie die Blätter über Aristoteles auf einen ordentlichen
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