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Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Titel: Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Tag gesetzt hat, auf welchem er richten will den Kreis des Erdbodens mit Gerechtigkeit, durch einen Mann, in welchem er es beschlossen hat und Jedermann vorhält den Glauben, nachdem er ihn hat von den Todten auferweckt.«
    Paulus in Athen, Sofie. Wir reden davon, wie das Christentum langsam in die griechisch-römische Welt einsickert. Als etwas anderes, als etwas sehr viel anderes als epikureische, stoische oder neuplatonische Philosophie. Trotzdem aber findet Paulus in dieser Kultur einen festen Halt. Er weist darauf hin, dass die Suche nach Gott in allen Menschen liegt. Das war den Griechen nichts Neues. Das Neue, was Paulus verkündet, ist, dass Gott sich auch den Menschen offenbart hat und ihnen wirklich begegnet ist. Er ist also nicht nur ein »philosophischer Gott«, nach dem die Menschen mit ihrem Verstand streben können. Auch ähnelt er keinem Bild aus »Gold und Silber oder Stein« – davon gab es oben auf der Akropolis und unten auf dem großen Marktplatz nun wirklich genug. Aber Gott »wohnt nicht in Tempeln mit Händen gemacht«. Er ist ein persönlicher Gott, der in die Geschichte eingreift und um der Menschen willen am Kreuz stirbt.
    Nachdem Paulus auf dem Areopag seine Rede gehalten hatte, so berichtet die Apostelgeschichte, machten einige sich über ihn lustig, weil er erzählt hatte, Christus sei von den Toten auferstanden. Aber einzelne Zuhörer sagten auch: »Wir wollen dich davon weiter hören.« Andere schließlich schlossen sich ihm an und wurden Christen. Eine davon war die Frau Damaris und das sollten wir uns merken. Es waren sehr oft Frauen, die sich damals zum Christentum bekehrten.
    So setzte Paulus seine missionarische Tätigkeit fort. Bereits wenige Jahrzehnte nach Christus gab es christliche Gemeinden in allen wichtigen griechischen und römischen Städten – in Athen, in Rom, in Alexandria, in Ephesos, in Korinth. Im Laufe von drei, vier Jahrhunderten war die gesamte griechisch-römische Welt christianisiert.
Das Glaubensbekenntnis
    Paulus war jedoch nicht nur als Missionar für das Christentum von grundlegender Bedeutung. Auch innerhalb der christlichen Gemeinden war sein Einfluss groß. Es bestand großer Bedarf an geistiger Anleitung.
    Eine wichtige Frage der ersten Jahre nach Jesu Tod war, ob Nichtjuden erst den Umweg über das Judentum gehen müssten. Musste sich zum Beispiel ein Grieche an die Mosaischen Gesetze halten? Paulus hielt das nicht für notwendig. Das Christentum war mehr als nur eine jüdische Sekte. Es wendete sich mit einer universellen Erlösungsbotschaft an alle Menschen. Der »alte Bund« zwischen Gott und Israel war ersetzt durch den »neuen Bund«, den Jesus zwischen Gott und allen Menschen geschlossen hatte.
    Aber das Christentum war nicht die einzige neue Religion jener Zeit. Wir haben gesehen, dass der Hellenismus von einer Religionsmischung geprägt war. Deshalb musste die Kirche die christliche Lehre klar umreißen. Es war wichtig, sich gegen andere Religionen abzugrenzen und eine Spaltung in der christlichen Kirche zu vermeiden. Auf diese Weise entstanden die ersten Glaubensbekenntnisse . Ein Glaubensbekenntnis fasst die wichtigsten christlichen »Dogmen« oder Lehrsätze zusammen.
    Einer dieser wichtigen Lehrsätze lautet, Jesus sei Gott und Mensch zugleich gewesen. Er war also nicht nur durch seine Tat »Gottes Sohn«. Er war Gott selber. Aber er war auch ein »wahrer Mensch«, der das Leben der Menschen geteilt und wirklich am Kreuz gelitten hatte.
    Das kann wie ein Widerspruch wirken. Aber die Botschaft der Kirche lautete nun einmal, dass Gott Mensch wurde . Jesus war kein »Halbgott« (also halb menschlich und halb göttlich). Der Glaube an solche Halbgötter war in den griechischen und hellenistischen Religionen ziemlich verbreitet. Die Kirche lehrte, Jesus sei »vollkommen Gott, vollkommen Mensch«.
Postskriptum
    Ich versuche zu erklären, wie alles zusammenhängt, liebe Sofie. Der Eintritt des Christentums in die griechisch-römische Welt bedeutete eine dramatische Begegnung zweier Kulturkreise. Aber er bedeutete auch einen der großen geschichtlichen Kulturwandel.
    Wir sind dabei, das Altertum zu verlassen. Seit den ersten griechischen Philosophen sind fast tausend Jahre verstrichen. Vor uns liegt das christliche Mittelalter. Und auch das dauerte etwa tausend Jahre.
    Der deutsche Dichter Johann Wolfgang Goethe schrieb:
     
    Wer nicht von dreitausend Jahren
    Sich weiß Rechenschaft zu geben,
    Bleib im Dunkeln unerfahren,
    Mag von Tag zu Tage

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