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Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Titel: Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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lief zum Apparat.
    »Sofie Amundsen.«
    »Ich bin’s«, sagt eine Stimme am anderen Ende der Leitung.
    Sofie wusste drei Dinge sicher: Papa war es nicht. Aber es war eine Männerstimme. Und sie war davon überzeugt, gerade diese Stimme schon einmal gehört zu haben.
    »Wer ist da?«, fragte sie.
    »Hier ist Alberto.«
    »Oh ...«
    Sofie wusste nicht, was sie antworten sollte. Die Stimme kannte sie vom Video aus Athen.
    »Geht’s dir gut?«
    »Ja, sicher ...«
    »Aber von nun an gibt es keine Briefe mehr.«
    »Ich habe nicht einmal einen Frosch angefasst!«
    »Wir müssen uns treffen, Sofie. Langsam eilt es, verstehst du?«
    »Wieso denn?«
    »Wir sind dabei, von Hildes Vater umzingelt zu werden.«
    »Wieso denn umzingelt?«
    »Von allen Seiten, Sofie. Wir müssen jetzt zusammenarbeiten.«
    »Wie ...?«
    »Aber du kannst mir leider erst helfen, wenn ich dir vom Mittelalter erzählt habe. Wir müssen auch noch die Renaissance und das 17. Jahrhundert schaffen. Eine Schlüsselrolle spielt außerdem Berkeley.«
    »Hing nicht ein Bild von dem in der Majorshütte?«
    »Genau, ja. Vielleicht dreht sich die Schlacht gerade um seine Philosophie.«
    »Bei dir hört sich das ja wie eine Art Krieg an?«
    »Ich würde es wohl eher als Geisteskampf bezeichnen. Wir müssen versuchen, Hildes Aufmerksamkeit zu erregen und sie auf unsere Seite bringen, ehe ihr Vater nach Lillesand heimkommt.«
    »Ich verstehe nur Bahnhof.«
    »Aber vielleicht werden dir die Philosophen die Augen öffnen. Wir treffen uns morgen früh um vier in der Marienkirche. Aber komm allein, mein Kind.«
    »Ich soll mitten in der Nacht kommen?«
    »... klick.«
    »Hallo?«
    Der Mistkerl! Jetzt hatte er aufgelegt. Sofie stürzte zurück an den Herd. Die Suppe war kurz vorm Überkochen. Jetzt kippte sie Fischklöße und Möhren in den Topf und drehte die Temperatur niedriger.
    In die Marienkirche? Das war eine alte Steinkirche aus dem Mittelalter. Sofie glaubte, dort würden nur noch Konzerte und ganz besondere Gottesdienste abgehalten. Im Sommer wurde sie ab und zu für Touristen geöffnet. Aber mitten in der Nacht war sie doch wohl geschlossen?
    Als die Mutter nach Hause kam, hatte Sofie die Karte aus dem Libanon zu den anderen Sachen von Alberto und Hilde in den Schrank gelegt. Nach dem Essen ging sie zu Jorunn.
    »Wir müssen eine etwas spezielle Verabredung treffen«, sagte sie, als die Freundin die Tür aufmachte.
    Mehr sagte sie nicht, bis sie Jorunns Zimmertür hinter sich geschlossen hatten.
    »Es ist nicht ganz einfach«, fuhr Sofie fort.
    »Nun sag schon.«
    »Ich muss meiner Mutter erzählen, dass ich heute bei dir übernachte.«
    »Das ist doch toll.«
    »Aber ich sage das bloß, verstehst du. Ich werde ganz woanders sein.«
    »Ach du meine Güte! Hat das was mit einem Jungen zu tun?«
    »Nein, mit Hilde.«
    Jorunn stieß einen leisen Pfiff aus.
    Sofie hielt ihrem Blick stand.
    »Ich komme heute abend her«, sagte sie. »Aber ich muss gegen drei Uhr davonschleichen. Du musst mich decken, bis ich wieder da bin.«
    »Aber wohin willst du? Was hast du vor, Sofie?«
    »Tut mir Leid. Ich darf wirklich nichts verraten.«
    Bei Jorunn zu übernachten, war kein Problem, eher im Gegenteil. Sofie hatte manchmal das Gefühl, dass ihre Mutter das Haus gern für sich hatte.
    »Du kommst aber morgen zum Frühstück?«, war die einzige Ermahnung ihrer Mutter, als Sofie ging.
    »Wenn nicht, dann weißt du ja, wo ich bin.«
    Warum sagte sie das? Das war doch gerade der schwache Punkt.
    Der Übernachtungsbesuch begann, wie die meisten Übernachtungsbesuche, mit vertraulichen Gesprächen bis tief in die Nacht. Anders war diesmal nur, dass Sofie den Wecker auf Viertel nach drei stellte, als sie gegen ein Uhr endlich zur Ruhe kamen.
    Jorunn wurde kaum wach, als Sofie den Wecker zwei Stunden später ausstellte.
    »Sei vorsichtig«, bat sie.
    Und dann war Sofie auf dem Weg. Die Marienkirche lag einige Kilometer entfernt, aber obwohl sie nur zwei Stunden geschlafen hatte, fühlte sie sich hellwach. Über den Hügeln im Osten leuchtete ein rotes Band.
    Als sie vor dem Eingang der alten Steinkirche stand, war es fast vier. Sofie berührte die schwere Tür. Sie stand offen!
    Die Kirche war ebenso leer und stumm, wie sie alt war. Durch die Glasmalereien an den Fenstern strömte ein bläuliches Licht herein, das Tausende von kleinen Staubpartikeln in der Luft sichtbar machte. Der Staub schien sich zu dicken Balken zu sammeln, die kreuz und quer durch das Kirchenschiff verliefen.

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