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Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Titel: Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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symbolisiert das Jahr 529, wie die christliche Kirche einen Deckel über die griechische Philosophie gestülpt hat. Von nun an hatten die Klöster das Monopol für Unterricht, Reflexion und Versenkung. Die Uhr bewegt sich auf halb sechs zu ...«
    Sofie hatte längst begriffen, was Alberto mit den vielen Uhrzeiten meinte. Mitternacht war das Jahr 0, ein Uhr war das Jahr 100 n. Chr., sechs Uhr war 600 n. Chr. und vierzehn Uhr war 1400 n. Chr ....
    Alberto fuhr fort:
    »Unter ›Mittelalter‹ verstehen wir eigentlich die Zeit, die zwischen zwei anderen Epochen liegt. Dieser Ausdruck kam in der Renaissance auf. Damals kam den Menschen das Mittelalter vor wie eine einzige ›tausendjährige Nacht‹, die Europa zwischen Antike und Renaissance verdüstert hatte. Noch immer benutzen wir den Ausdruck ›mittelalterlich‹ abwertend für alles, was uns als autoritär und erstarrt erscheint. Aber manche haben das Mittelalter auch als ›tausendjähriges Wachstum‹ betrachtet. Zum Beispiel bildete sich im Mittelalter das Schulwesen heraus. Schon frühzeitig entstanden die ersten Klosterschulen. Im zwölften Jahrhundert kamen die Domschulen hinzu und ab 1200 etwa wurden die ersten Universitäten gegründet. Noch heute sind dort die Fächer in verschiedene Gruppen oder ›Fakultäten‹ eingeteilt, wie im Mittelalter.«
    »Tausend Jahre sind aber sehr lang.«
    »Aber das Christentum brauchte Zeit, um bis in die Tiefe des Volkes vorzustoßen. Während des Mittelalters entstanden außerdem die verschiedenen Nationen – mit Städten und Burgen, Volksmusik und Volksdichtung. Was wären Märchen und Volkslieder wohl ohne das Mittelalter? Ja, was wäre Europa ohne das Mittelalter, Sofie? Eine römische Provinz? Aber der Resonanzboden von Namen wie Norwegen, England oder Deutschland liegt gerade in der bodenlosen Tiefe, die wir Mittelalter nennen. In dieser Tiefe schwimmen viele fette Fische, auch wenn wir sie nicht entdecken können. Aber Snorre war ein Mittelaltermensch. Und Olaf der Heilige. Und Karl der Große. Ganz zu schweigen von Romeo und Julia, den Nibelungen, Schneewittchen oder den Trollen in den norwegischen Wäldern. Plus einer ganzen Herde von stolzen Fürsten und majestätischen Königen, tapferen Rittern und schönen Jungfrauen, anonymen Glasmalern und genialen Orgelbauern. Und dabei habe ich Klosterbrüder, Kreuzfahrer oder weise Frauen noch gar nicht erwähnt.«
    »Die Priester hast du auch noch nicht erwähnt.«
    »Stimmt. Nach Norwegen kam das Christentum erst nach der Jahrtausendwende, aber es wäre eine Übertreibung, wenn wir behaupten wollten, Norwegen wäre nach der Schlacht von Stiklestad ein christliches Land geworden. Alte heidnische Vorstellungen lebten unter der christlichen Oberfläche weiter und viele dieser vorchristlichen Elemente vermischten sich mit christlichen Bräuchen. In den norwegischen Weihnachtsfeiern zum Beispiel leben noch heute christliche und altnordische Bräuche in trauter Eintracht zusammen. Und hier gilt die alte Regel, dass alte Ehepaare sich schließlich ähnlich sehen. Trotzdem müssen wir betonen, dass das Christentum schließlich zur allein herrschenden Weltanschauung wurde. Wir sprechen auch von einer ›christlichen Einheitskultur‹.«
    »Und es war also nicht nur finster und traurig?«
    »Die ersten hundert Jahre nach dem Jahr 400 brachten wirklich einen kulturellen Niedergang. Die Römerzeit war eine ›Hochkultur‹ mit großen Städten, die über öffentliche Abwässersysteme, öffentliche Bäder und öffentliche Bibliotheken verfügten. Ganz zu schweigen von der stolzen Architektur. Diese gesamte Kultur verfiel während der ersten Jahrhunderte des Mittelalters. Dasselbe galt für Handel und Finanzwesen. Im Mittelalter setzten wieder Naturalienwirtschaft und Tauschhandel ein. Nun prägte der so genannte Feudalismus die Wirtschaft. Feudalismus bedeutet, dass einige große Grundherren den Boden besaßen, auf dem die Landarbeiter arbeiten mussten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Während der ersten Jahrhunderte ging auch die Bevölkerungszahl stark zurück. Rom war in der Antike eine Millionenstadt gewesen. Bereits im siebten Jahrhundert war die Bevölkerung der alten Weltstadt auf vierzigtausend Einwohner geschrumpft, einen Bruchteil also. Eine bescheidene Bevölkerung konnte nun also zwischen den Resten der majestätischen Gebäude aus der Glanzzeit der Stadt einherwandern. Wenn die Menschen Baumaterialien benötigten, dann gab es genug alte Ruinen, aus denen sie

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