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Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Titel: Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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sich bedienen konnten. Das ärgert natürlich die heutigen Archäologen, denen es lieber wäre, wenn die Menschen des Mittelalters die alten Baudenkmäler in Ruhe gelassen hätten.«
    »Nachher ist man immer klüger.«
    »Roms Zeit als politische Größe war bereits gegen Ende des vierten Jahrhunderts vorbei. Aber bald wurde der Bischof von Rom zum Oberhaupt der gesamten römisch-katholischen Kirche. Er erhielt den Namen Papst – oder ›Vater‹ – und galt schließlich als Stellvertreter Jesu auf Erden. Während fast des gesamten Mittelalters war Rom deshalb die Hauptstadt der Kirche. Und es gab nicht viele, die es wagten, ›ihre Stimme wider Rom zu erheben‹. Nach und nach gewannen die Könige und Fürsten der neuen Nationalstaaten dann aber so große Macht, dass Einzelne den Mut hatten, sich der starken Kirchenmacht zu widersetzen. Einer davon war unser eigener König Sverre ...«
    Sofie starrte den gelehrten Mönch an.
    »Du hast gesagt, die Kirche hätte Platons Akademie in Athen geschlossen. Wurden alle griechischen Philosophen danach vergessen?«
    »Nur teilweise. Einige kannten ein paar Schriften des Aristoteles, andere einige von Platon. Aber das alte Römische Reich zerfiel nach und nach in drei verschiedene Kulturräume. In Westeuropa bekamen wir eine lateinisch-sprachige christliche Kultur mit der Hauptstadt Rom. In Osteuropa bildete sich eine griechisch-sprachige christliche Kultur mit der Hauptstadt Konstantinopel. Später erhielt Konstantinopel dann den griechischen Namen Byzanz. Wir sprechen deshalb vom ›byzantinischen Mittelalter‹ im Unterschied zum ›römisch-katholischen Mittelalter‹. Aber auch Nordafrika und der Mittlere Osten hatten zum Römischen Reich gehört. Diese Gebiete entwickelten im Mittelalter eine arabisch-sprachige moslemische Kultur. Nach dem Tod Mohammeds im Jahre 632 wurden der Mittlere Osten und Nordafrika für den Islam gewonnen. Bald wurde auch Spanien dem moslemischen Kulturbereich einverleibt. Der Islam erhielt seine heiligen Stätten zum Beispiel in Mekka, Medina, Jerusalem und Bagdad. Kulturhistorisch gesehen ist es wichtig, sich zu merken, dass die Araber auch die alte hellenistische Stadt Alexandria übernahmen. Auf diese Weise erbten sie einen Großteil der griechischen Wissenschaft. Während des gesamten Mittelalters übernahmen die Araber in Wissenschaften wie der Mathematik, der Chemie, Astronomie und Medizin die Führungsrolle. Noch heute verwenden wir ja ›arabische Zahlen‹. In einigen Bereichen war die arabische Kultur der christlichen also überlegen.«
    »Ich wollte wissen, wie es der griechischen Philosophie ergangen ist.«
    »Kannst du dir einen Fluss vorstellen, der sich für eine Weile in drei verschiedene Flussläufe aufteilt, die sich dann wieder zu einem großen Strom zusammenschließen?«
    »Das kann ich mir vorstellen.«
    »Dann kannst du dir auch vorstellen, wie die griechischrömische Kultur teilweise durch die römisch-katholische Kultur im Westen, teilweise durch die oströmische Kultur und teilweise durch die arabische Kultur im Süden überliefert wurde. Selbst wenn wir dabei sehr vereinfachen, können wir sagen, dass der Neuplatonismus im Westen, Platon im Osten und Aristoteles im Süden bei den Arabern überlebten. Wichtig ist, dass sich alle drei Flüsse am Ende des Mittelalters in Norditalien zu einem Strom sammelten. Die Araber in Spanien steuerten arabische Einflüsse bei, Griechenland und Byzanz griechische. Und nun beginnt die Renaissance , jetzt setzt die ›Wiedergeburt‹ der antiken Kultur ein. In gewisser Hinsicht hatte die antike Kultur das lange Mittelalter also überlebt.«
    »Ich verstehe.«
    »Aber wir dürfen dem Gang der Ereignisse nicht vorgreifen. Erst werden wir uns ein wenig über die Philosophie des Mittelalters unterhalten, mein Kind. Und ich werde nicht mehr von der Kanzel zu dir sprechen. Ich komme nach unten.«
    Sofie merkte ihren Augen an, dass sie nur wenige Stunden geschlafen hatte. Als sie den seltsamen Mönch nun von der Kanzel der Marienkirche steigen sah, kam ihr das vor wie ein Traum.
    Alberto ging zur Altarbank. Erst blickte er zum Altar mit dem alten Kruzifix hinauf. Dann drehte er sich zu Sofie um, ging mit langsamen Schritten auf sie zu und setzte sich neben sie in die Bank.
    Es war seltsam, ihm so nah zu sein. Unter der Kapuze sah Sofie zwei braune Augen. Sie gehörten einem Mann mittleren Alters mit Spitzbart.
    Wer bist du?, dachte sie. Warum hast du in mein Leben eingegriffen?
    »Wir werden

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