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Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Titel: Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Vernunft auf genau dieselbe Weise beantworten.«
    »Zum Beispiel, dass es einen Gott gibt?«
    »Genau. Auch die Philosophie des Aristoteles setzte voraus, dass es einen Gott gibt – oder eine erste Ursache, die alle Naturprozesse in Gang bringt. Aber sie beschreibt Gott nicht näher. Hier müssen wir uns an die Bibel und an Jesu Verkündigung halten.«
    »Aber ist es denn so sicher, dass es wirklich einen Gott gibt?«
    »Das lässt sich natürlich diskutieren. Aber noch heute würden die meisten Menschen zugeben, dass unsere Vernunft jedenfalls nicht beweisen kann, dass es keinen Gott gibt. Thomas ging weiter. Er glaubte, auf der Basis von Aristoteles’ Philosophie Gottes Existenz beweisen zu können.«
    »Nicht schlecht!«
    »Auch mit der Vernunft könnten wir erkennen, dass alles eine ›erste Ursache‹ haben muss, meinte er. Gott, so Thomas, hat sich den Menschen durch die Bibel und durch die Vernunft offenbart. Es gibt also eine ›offenbare‹ und eine ›natürliche Theologie‹. Genauso steht es im Bereich der Moral. Wir können in der Bibel lesen, wie wir nach Gottes Willen leben sollen. Aber Gott hat uns auch mit einem Gewissen versehen, das uns befähigt, auf ›natürlicher‹ Grundlage zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden. Es führen also auch zum moralischen Leben ›zwei Wege‹. Wir können wissen, dass wir anderen Menschen nicht wehtun dürfen, selbst wenn wir nicht in der Bibel gelesen haben, dass wir andere so behandeln sollen, wie wir von ihnen behandelt werden möchten. Aber auch hier sind die Gebote der Bibel die sicherste Richtschnur.«
    »Ich glaube, ich verstehe«, sagte Sofie jetzt. »Ungefähr genauso können wir wissen, dass es ein Gewitter gibt, wenn wir den Blitz sehen und den Donner hören.«
    »Stimmt. Selbst wenn wir blind sind, können wir den Donner hören. Und selbst wenn wir taub sind, können wir das Gewitter sehen. Das Allerbeste ist natürlich, sehen und hören zu können. Aber es besteht kein Widerspruch zwischen dem, was wir sehen, und dem, was wir hören. Ganz im Gegenteil – beide Eindrücke bereichern einander.«
    »Ich verstehe.«
    »Lass mich noch ein Bild bringen. Wenn du einen Roman liest – zum Beispiel ›Victoria‹ von Knut Hamsun ...«
    »Den habe ich sogar gelesen ...«
    »... erfährst du dann nicht auch etwas über den Autor, einfach, weil du den von ihm geschriebenen Roman liest?«
    »Ich kann jedenfalls davon ausgehen, dass es einen Autor gibt, der das Buch geschrieben hat.«
    »Kannst du noch mehr über ihn erfahren?«
    »Er hat ein ziemlich romantisches Bild von der Liebe.«
    »Wenn du diesen Roman liest – Hamsuns Schöpfung also –, dann erfährst du also auch etwas über Hamsun selbst. Aber du kannst keine wirklich persönlichen Informationen über den Autor erwarten. Kannst du zum Beispiel in ›Victoria‹ erkennen, wie alt der Autor war, als er es geschrieben hat, wo er wohnte, oder wie viele Kinder er hatte?«
    »Natürlich nicht.«
    »Aber solche Auskünfte erteilt dir eine Biographie über Knut Hamsun. Nur in einer solchen Biographie – oder Autobiographie – kannst du die Person des Autors näher kennen lernen.«
    »Ja, das stimmt.«
    »Ungefähr so ist auch das Verhältnis zwischen Gottes Schöpfung und der Bibel. Wenn wir durch die Natur wandern, können wir erkennen, dass es einen Gott gibt. Wir können vielleicht sehen, dass er Blumen und Tiere mag, sonst hätte er sie ja wohl nicht geschaffen. Aber Auskünfte über Gott finden wir nur in der Bibel – also Gottes Autobiographie.«
    »Das ist ja ein schlaues Beispiel.«
    »Mmmm ...«
    Zum ersten Mal versank Alberto in Gedanken und gab keine Antwort.
    »Hat das etwas mit Hilde zu tun?«, rutschte es Sofie heraus.
    »Wir wissen ja gar nicht sicher, ob es überhaupt eine Hilde gibt.«
    »Aber wir haben hier und da Spuren von ihr entdeckt. Postkarten und einen Seidenschal, eine grüne Brieftasche, einen Kniestrumpf ...«
    Alberto nickte.
    »Und es scheint von Hildes Vater abzuhängen, wie viele Spuren er auslegen will. Aber bisher wissen wir nur, dass es eine Person gibt, die die Postkarten schreibt. Ich finde, er sollte auch etwas über sich selber schreiben. Aber darauf werden wir noch zurückkommen.«
    »Jetzt ist es zwölf Uhr. Ich muss jedenfalls vor Ende des Mittelalters noch nach Hause.«
    »Ich werde mit einigen Worten darüber abschließen, wie Thomas von Aquin in allen Bereichen, die nicht mit der Theologie der Kirche kollidierten, die Philosophie des Aristoteles

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