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Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie

Titel: Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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schüttelte verwirrt den Kopf. Warum hatte ihr das niemand je erzählt? Und warum hatte sie nicht danach gefragt?
    Alberto fuhr fort:
    »Bei den Juden und in der griechisch-orthodoxen Kirche spielte ›Sophia‹ – oder Gottes Mutternatur – während des Mittelalters eine gewisse Rolle. Im Westen geriet sie in Vergessenheit. Aber dann kam Hildegard. Sie erzählt, Sophia sei ihr in Visionen erschienen. Sie habe eine mit kostbaren Edelsteinen geschmückte Tunika ...«
    Jetzt sprang Sofie von der Bank auf. Sophia hatte sich Hildegard in Visionen gezeigt ...
    »Vielleicht erscheine ich auch Hilde.«
    Sie setzte sich wieder. Zum dritten Mal legte Alberto ihr die Hand auf die Schulter.
    »Das müssen wir herausfinden. Aber jetzt ist es fast eins. Du musst zum Essen nach Hause und uns steht eine neue Zeit bevor. Ich werde dich zu einem Termin über die Renaissance bestellen. Hermes holt dich im Garten ab.«
    Und damit stand der seltsame Mönch auf und ging auf die Kirche zu. Sofie blieb sitzen und dachte über Hildegard und Sophia nach, über Hilde und Sofie. Plötzlich ging ein Ruck durch ihren Körper. Sie sprang auf und rief hinter dem als Mönch verkleideten Philosophielehrer her:
    »Gab es im Mittelalter auch einen Alberto?«
    Alberto verlangsamte seine Schritte ein wenig, dann drehte er den Kopf um und sagte:
    »Thomas von Aquin hatte einen berühmten Philosophielehrer. Er hieß Albertus Magnus !«
    Damit senkte er im Eingang der Marienkirche den Kopf und war verschwunden.
    Sofie gab sich nicht damit zufrieden. Auch sie ging zurück in die Kirche. Aber die war völlig leer. War Alberto im Erdboden versunken?
    Als sie die Kirche verließ, fiel ihr Blick auf ein Marienbild. Sie trat dicht an das Bild heran und musterte es ausgiebig. Plötzlich entdeckte sie dort einen kleinen Wassertropfen unter dem Auge. Ob das eine Träne war?
    Sofie stürzte aus der Kirche und rannte zu Jorunn nach Hause.

Die Renaissance
    ... o göttliches Geschlecht in menschlicher Verkleidung ...
    Jorunn stand vor dem gelben Haus, als Sofie gegen halb zwei atemlos am Gartentor ankam.
    »Du warst über elf Stunden weg«, rief Jorunn.
    Sofie schüttelte den Kopf.
    »Ich war über tausend Jahre lang weg.«
    »Aber wo hast du denn bloß gesteckt?«
    »Ich hatte ein Rendezvous mit einem Mönch aus dem Mittelalter. Witziger Typ.«
    »Du spinnst. Deine Mutter hat vor einer halben Stunde angerufen.«
    »Und was hast du ihr erzählt?«
    »Ich habe gesagt, du wärst zum Kiosk gegangen.«
    »Und was hat sie da gesagt?«
    »Dass du anrufen sollst, wenn du zurückkommst. Mit meinen Eltern war es schlimmer. Sie haben uns gegen zehn Uhr Kakao und Brötchen gebracht. Und da war das eine Bett leer.«
    »Was hast du gesagt?«
    »Es war schrecklich peinlich. Ich habe behauptet, wir hätten uns gestritten, und da wärst du nach Hause gegangen.«
    »Dann müssen wir uns ganz schnell wieder vertragen. Und deine Eltern dürfen ein paar Tage lang nicht mit meiner Mutter sprechen. Meinst du, wir schaffen das?«
    Jorunn zuckte mit den Schultern. Im nächsten Moment tauchte ihr Vater mit einer Schubkarre im Garten auf. Er trug einen Overall. Es war klar, dass er sich noch nicht mit dem Laub versöhnt hatte, das im letzten Jahr gefallen war.
    »Na, wieder ein Herz und eine Seele?«, fragte er. »Jetzt liegt vor dem Kellerfenster jedenfalls kein einziges Blatt mehr.«
    »Wie schön«, erwiderte Sofie. »Dann können wir uns vielleicht da den Kakao reinziehn, nicht im Bett.«
    Der Vater lachte verkrampft und Jorunn zuckte zusammen. Bei Sofie zu Hause wurde nie so sehr auf eine gewählte Sprache geachtet wie hier bei Stadtkämmerer Ingebrigsten und Gattin.
    »Tut mir Leid, Jorunn. Aber ich dachte, ich müsste mich auch ein bisschen an der Geschichte beteiligen.«
    »Erzählst du mir was?«
    »Wenn du mich nach Hause bringst. Die Geschichte geht Stadtkämmerer oder angejahrte Barbie-Puppen nichts an.«
    »Du bist vielleicht ekelhaft. Ist eine angeknackste Ehe, die einen Partner auf See treibt, vielleicht besser?«
    »Sicher nicht. Aber ich habe diese Nacht fast nicht geschlafen. Und ich frage mich außerdem langsam, ob Hilde alles sehen kann, was wir tun.«
    Sie gingen langsam auf den Kløverveien zu.
    »Meinst du, sie ist Hellseherin?«
    »Vielleicht. Vielleicht auch nicht.«
    Es war ganz klar, dass Jorunn von der vielen Geheimniskrämerei nicht begeistert war.
    »Aber das erklärt nicht, warum ihr Vater schwachsinnige Postkarten in eine verlassene Hütte im Wald

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