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Sog des Grauens

Titel: Sog des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bagley Desmond
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Windgeschwindigkeiten gemessen.
    Er schloß seinen Geist gegen das Heulen des Windes ab. Wieviel war es noch? O ja – 372 Kilometer pro Stunde wurden auf dem Mount Washington registriert, bevor das Instrument entzweiging – das war der Rekord. Und dann waren da die theoretischen Geschwindigkeiten in den Tornados. Es bestand natürlich keine Möglichkeit, diese zu registrieren – diese sehr starken Winde, die mehr als neunhundert Kilometer pro Stunde erreichten –, aber es war ein starker Wind, der einen Strohhalm durch ein Brett von ein Zoll Dicke trieb.
    Und doch waren Tornados klein. Ein Tornado stand zu einem Hurrikan etwa im Verhältnis wie ein Jagdflugzeug zu einem Bomber – das Jagdflugzeug ist schneller, aber der Bomber hat mehr Gesamtleistung. Und ein Hurrikan enthält unmeßbar viel mehr Leistung als ein Tornado, mehr Leistung als irgendein anderes Windsystem auf der Welt. Er erinnerte sich an den wirklich bösen, der 1953, als er in England studierte, den Atlantik überquert hatte. Er hatte im Westatlantik teuflisch gehaust und war dann über den ganzen Atlantik bis nach Nordengland gezogen und hatte das Wasser der Nordsee aufgestaut, wie Mabel das jetzt mit dem Wasser in der Santego Bay tat. In Holland waren die Deiche gebrochen, und East Anglia in England war überflutet worden. Es war die schlimmste Wetterkatastrophe, die Europa seit Jahrhunderten erlebt hatte. Der Hurrikan war der teuflischste unter den Stürmen.
    ***
    Dawson hielt seine Hände gegen die Brust. Er war naß bis auf die Haut und glaubte, er würde nie wieder trocken werden. Hätte er nicht so gern gefischt, hätte er wohl lieber den Rest seines Lebens in irgendeiner netten Wüste zugebracht, wo es keine solchen Stürme gab – etwa im Death Valley. Aber er fischte wirklich gern, und hier waren die besten Gewässer dafür, und er wußte, wenn er dieses Erlebnis überstand, würde er wiederkommen. Andererseits – warum überhaupt erst weggehen? Warum sollte er nicht auf San Fernandez wohnen? Es gab jetzt nichts mehr, was ihn in New York festhielt, und warum sollte er dann nicht wohnen, wo es ihm gefiel?
    Er grinste, als er daran dachte, daß er sogar damit das Programm fortsetzen würde, das sein Presseagent, Wiseman, für ihn ausgearbeitet hatte. Er hatte sich mächtig bemüht, um den Mantel Hemingways für seine Person umzuschneidern. Hatte Hemingway nicht auf Kuba gewohnt? Zum Teufel damit! Er wollte es gern, und er würde es tun.
    Merkwürdigerweise hatte er keine Angst. Der unerwartete Mut, den er gefunden hatte, als er Roseau und seinen Knechten gegenüberstand und die Katharsis der nachfolgenden Beichte an Wyatt hatten etwas in ihm freigemacht, hatten einen Quell der Männlichkeit erschlossen, der vorher verlegt und in falsche Richtungen abgelenkt gewesen war. Er hätte eigentlich Angst haben müssen, denn dies war das Schrecklichste, was er bisher erlebt hatte, aber er hatte keine, und dieses Wissen gab ihm Kraft.
    Mit zähem Schlamm beschmiert lag er in einem Wasserloch und wurde von Wind und Regen gepeitscht, und er war sehr zufrieden dabei.
    ***
    Der Hurrikan erreichte seine größte Gewalt kurz nach Mitternacht. Allein der Lärm war schon furchterregend, ein bösartiges, schreckliches Heulen von roher Gewalt, das dem Gemüt weh tat. Der Regen hatte nachgelassen, und es gab keine großen Tropfen mehr, nur noch fein zerstäubtes Wasser, das mit hundertsechzig Kilometern pro Stunde parallel zur Erdoberfläche dahingefegt wurde. Und wie Wyatt vorausgesehen hatte, war das strömende Oberflächenwasser von dem wütenden Wind abgehoben worden.
    Die Blitze zuckten nun unaufhörlich und tauchten den Höhenrücken in einen grellen blauen Schein, und einmal sah Wyatt, als er den Kopf hob, die dunklen Umrisse der Berge, des Massif des Saints. Sie würden dem schrecklichen Sturm widerstehen; wie sie dort standen, tief in den Eingeweiden der Erde verwurzelt, waren sie ein ebenbürtiger Gegner für den Hurrikan, der sich an ihnen zu Tode stoßen würde. Vielleicht würde diese kleine Barriere Mabel die Spitze abbrechen, und er würde während seines weiteren Weges durch das Karibische Meer an den Wunden sterben, die er sich hier geholt hatte. Vielleicht. Aber das würde das Leiden von San Fernandez nicht lindern.
    Im Licht eines anderen Blitzes sah er etwas sehr Großes und Flaches über sich hinwegsegeln wie eine durch die Luft trudelnde Spielkarte. Es schlug keine fünf Meter von ihrem Loch entfernt auf und wurde dann wieder

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