Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sog des Grauens

Titel: Sog des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bagley Desmond
Vom Netzwerk:
hochgewirbelt. Er wußte nicht, was es war.
    Sie lagen in ihrem Loch und drückten sich in den dicken, zähen Schlamm auf dem Boden, taub von dem irrsinnigen Kreischen des Sturms und naß bis auf die Haut. Sie wurden immer kälter durch den Wind, der die Feuchtigkeit in ihrer Kleidung verdunstete, und ihre Gemüter waren betäubt von der Ungeheuerlichkeit der Kräfte, die um sie herum tobten. Einmal hob Causton unabsichtlich seinen Arm über den Rand des Loches, und der Wind packte ihn am Ellbogen und riß den Arm mit solcher Gewalt nach vorn, daß er dachte, er sei gebrochen, und wenn der Arm gegen das Schultergelenk bewegt worden wäre, hätte das auch leicht der Fall sein können.
    Sogar Wyatt, der mehr von den Vorgängen verstand als die anderen, war überrascht von dieser Gewalt. Bisher hatte er, wenn er in einen Hurrikan hineinflog, einen gewissen inneren Stolz empfunden, nicht über seine eigene Tapferkeit, sondern über die Unerschrockenheit und das technische Können der Menschheit, die die Mittel erschaffen hatte, die es einem ermöglichten, einen Wirbelsturm zu reiten. Aber einem Hurrikan ohne den Schutz der wenn auch noch so dünnen Duraluminwände eines Flugzeugs ausgesetzt zu sein war wieder etwas anderes. Dieser war der erste Hurrikan, den er am Boden erlebte, und er würde danach ein noch besserer Meteorologe sein – wenn er ihn überlebte, woran er zu zweifeln begann.
    Allmählich verfielen sie in Stumpfsinn. Der Geist – das Gemüt – die Seele – sie können nur ein bestimmtes Maß an Mißhandlung vertragen, und dann schirmen sie sich automatisch ab. Im Laufe der Stunden wurde der unglaubliche Lärm so sehr ein fester Teil ihrer Umgebung, daß sie ihn nicht mehr hörten. Ihr angespannter Körper lockerte sich, als kein Adrenalin mehr in ihren Blutstrom gepumpt wurde, und müde geprügelt verfielen sie in einen unruhigen Halbschlaf, ihre Glieder schlaff im Schlamm ausgestreckt.
    ***
    Um drei Uhr morgens begann der Wind etwas nachzulassen, und Wyatt, dessen Ohr sogar in seiner unruhigen Passivität auf das Geräusch eingestellt war, bemerkte die Veränderung sofort. Der Regen hatte ganz aufgehört, und nur noch der grausame Sturm war als Peiniger übrig, und selbst der ließ zögernd nach. Er kam manchmal wieder mit wütenden Böen, als ob er das Nachlassen bedauerte, aber er wurde ständig schwächer. Um vier Uhr rührte sich Wyatt und sah auf die Uhr. Er mußte erst den Schlamm abwischen, bevor er die Leuchtzeiger sehen konnte. Es war immer noch stockdunkel, und es blitzte nicht mehr so stark, aber jetzt konnte er den Donner hören, was bedeutete, daß der Wind nicht mehr so stark war. Er streckte seine Glieder und hielt vorsichtig seine Hand hinaus. Der Wind drückte hart dagegen, aber nicht so hart, daß er ihm nicht widerstehen konnte, und er schloß daraus, daß die Windgeschwindigkeit jetzt eben wieder im Bereich der Beaufortskala lag – ein netter, gemütlicher Orkan.
    Erst einmal geweckt, wurde sein Geist wieder tätig. Er war ungeheuer neugierig zu sehen, was auf der anderen Seite des Höhenrückens vorging. Die Neugierde siegte schließlich. Er prüfte die Kraft des Windes noch einmal und fand sie nicht zu schlimm. Also drehte er sich um, schob sich vorsichtig aus dem Loch hinaus und kroch auf dem Bauch den Hang hinauf. Der Wind zerrte an ihm, als er sich Zoll für Zoll durch den Schlamm vorarbeitete, und es war schlimmer, als er gedacht hatte. Es war ein großer Unterschied, ob man in einem Loch saß oder auf einer offenen Fläche erwischt wurde, und er wußte, daß sie ohne ihre Deckungslöcher nicht überlebt hätten. Aber durch seinen Wissensdrang getrieben, hielt er durch und erreichte unversehrt den Kamm, obwohl er eine Viertelstunde brauchte, um die zwanzig Meter zurückzulegen. Er ließ sich in ein mit Wasser gefülltes Loch fallen, das als Deckung gegen Stahl gegraben wurde, und nicht gegen Luft.
    Er verschnaufte einige Minuten in diesem Schutz und war erst einmal froh, dem gröbsten Wind entronnen zu sein. Dann hob er den Kopf und spähte in die Dunkelheit hinaus, wobei er seine Hände wie Scheuklappen um die Augen legte. Zuerst sah er nichts, aber bei einem plötzlichen Verhalten des Sturms vor einer Bö hörte er etwas, das sich sehr nach Meeresrauschen und Wellenklatschen anhörte. Er blinzelte und starrte wieder hinaus, und da sah er im Schein eines Blitzes ein erschreckendes Bild.
    Nicht weiter als zweihundert Meter entfernt war eine sturmgepeitschte See mit

Weitere Kostenlose Bücher