Sog des Grauens
Leben vor den Rädern seines Wagens und kreischten vor Lachen, wenn er auf die Hupe drückte. Die Ochsenkarren und die überladenen Lastautos verursachten die üblichen Verkehrsstockungen, und das Stimmengewirr war betäubend – es war die normale Situation, und Wyatt war erleichtert, als er die Stadt hinter sich hatte und die Geschwindigkeit erhöhen konnte.
Die Straße nach St. Michel wand sich hinter St. Pierre durch das fruchtbare Negrito-Tal hinauf, durch Bananen-, Ananas- und Zuckerrohrpflanzungen. Darüber ragten die zerklüfteten Berge des Massif des Saints auf. »Es scheint, daß die Unruhe heute nacht ein falscher Alarm war«, sagte Wyatt. »Trotzdem, was Causton heute vormittag sagte …«
»Ich weiß gar nicht mehr, ob ich Causton wirklich mag«, sagte Julie nachdenklich. »Zeitungsleute erinnern mich immer irgendwie an Geier.«
»Ich fühle mich mit ihm verwandt«, sagte Wyatt. »Er lebt von Katastrophen – ich auch.«
Sie war schockiert. »Da ist doch ein großer Unterschied. Du versuchst wenigstens, das Unglück zu verkleinern.«
»Das tut er auch, von seinem Standpunkt aus. Ich habe einige seiner Artikel gelesen, und sie sind sehr gut; voll von Mitgefühl mit der verdammten törichten Menschheit. Ich glaube, er war wirklich betrübt, als er entdeckte, daß er richtig vermutet hatte – wenn er recht hat, natürlich. Ich hoffe bei Gott, daß er unrecht hat.«
Sie machte eine unduldsame Bewegung mit ihren Schultern. »Laß uns nicht mehr an ihn denken. Wir wollen nicht an Serrurier denken, und nicht an – wie hieß er noch – Favel.«
Er ging mit der Geschwindigkeit zurück, um einem schlenkernden, mit Steinen beladenen Ochsenkarren auszuweichen, und wies durch eine Kopfbewegung auf den bewaffneten Soldaten am Straßenrand. »Es ist nicht so leicht, Serrurier zu vergessen, wenn man das sieht.«
Julie sah sich um. »Was ist das?«
»Die corvée – Zwangsarbeit auf den Straßen. Alle Bauern sind dazu verpflichtet. Sie ist ein Überbleibsel aus der vorrevolutionären Franzosenzeit, das Serrurier weidlich ausnutzt. Sie hat auf San Fernandez nie richtig aufgehört.« Er nickte zur Seite hin. »Es ist dasselbe mit diesen Pflanzungen; sie gehörten früher ausländischen Gesellschaften – Amerikanern und Franzosen zum größten Teil. Serrurier enteignete und verstaatlichte alles, als er an die Macht kam. Er betreibt sie als eine Privatdomäne mit Hilfe von Sträflingen – und es gehört auf dieser Insel nicht viel dazu, ein Sträfling zu werden. Er hat nie Mangel an Arbeitern. Sie sind bald am Ende ihrer Kräfte.«
Sie fragte leise: »Wie kannst du es ertragen, hier zu leben – mitten in diesem Unglück?«
»Meine Arbeit ist hier, Julie. Was ich hier tue, hilft Menschenleben im ganzen karibischen Raum und in Amerika zu schützen, und hier ist der geeignetste Ort für diese Arbeit. Ich kann an Serrurier nichts ändern; wenn ich es versuchte, würde ich umgebracht, eingesperrt oder deportiert, und da hätte niemand einen Nutzen davon. Daher mache ich es wie Hansen und alle anderen; ich halte mich an den Stützpunkt und konzentriere mich auf meine Arbeit.«
Er machte eine Pause, während er durch eine gefährliche Kurve fuhr. »Gefallen finde ich natürlich nicht daran.«
»Du würdest also nicht daran denken, hier wegzugehen – um in den Staaten eine Forschungsaufgabe zu übernehmen oder etwas Ähnliches?«
»Ich leiste meine Arbeit hier«, sagte Wyatt. »Außerdem bin ich Westinder – dies ist meine Heimat, mag sie auch arm sein.«
Er fuhr schweigend einige Kilometer und bog schließlich von der Straße ab. »Erinnerst du dich an die Stelle?«
»Die werde ich nie vergessen«, sagte sie und stieg aus, um das Panorama zu betrachten, das sich vor ihnen ausbreitete. In der Ferne sah man die See, eine schimmernde Platte aus gehämmertem Silber. Direkt unter ihnen lagen die Serpentinen der staubigen Straße, die sie eben heraufgekommen waren, und zwischen Straße und See lag das prächtige Tal des Negrito, das in die Santego Bay mündete, mit Cap Sarrat am gegenüberliegenden Ufer und mit St. Pierre, der in die Rundung der Bucht eingebetteten Miniaturstadt.
Wyatt betrachtete nicht die Landschaft – für ihn war Julie ein verlockenderer Anblick. Sie stand im wehenden Passat, der ihr Kleid an ihren Körper anblies, daß die Formen herausmodelliert wurden. Sie zeigte über das Tal auf eine Stelle, wo das Sonnenlicht von stürzendem Wasser reflektiert wurde. »Was ist das
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