Sog des Grauens
kann annehmen, daß etwa eine Million Tonnen Luft pro Sekunde aufsteigen.«
Er zeichnete Pfeile auf den Notizblock, die spiralförmig nach innen zeigten. »Da das Windsystem rotiert, wird die Luft von der Zentrifugalkraft nach draußen geschleudert, und dadurch entsteht im Zentrum ein sehr niedriger Luftdruck, und so bildet sich das Auge des Hurrikans. Aber der Druck am Außenrand ist sehr hoch, und da muß irgendwo etwas nachgeben. Also muß die Luft immer schneller fließen, um das Tiefdruckgebiet aufzufüllen, aber je schneller sie fließt, desto stärker wird sie von der Zentrifugalkraft nach draußen gedrückt. Und so kommt es zu diesen sehr schnellen Kreisströmungen, und ein ausgewachsener Hurrikan ist geboren.«
hnete einen anderen Pfeil, diesen in gerader Richtung. »Sobald er sich voll entwickelt hat, beginnt der Hurrikan sich zu verschieben wie ein tanzender Kreisel, der auf dem Pflaster wandert. Das bringt ihn mit weiterem warmem Seewasser in Berührung, und der ganze Prozeß erhält sich selbst. Ein Hurrikan ist eine riesige Wärmekraftmaschine, das größte und stärkste dynamische System auf der Erde.« Er zeigte mit dem Kopf auf die Karte an der Wand. »Mabel dort enthält mehr Energie als tausend Wasserstoffbomben.«»Du redest, als seist du in Hurrikane verliebt«, sagte Julie leise.
»Unsinn! Ich hasse sie. Alle Westinder hassen sie.«
»Haben Sie hier schon einen Hurrikan gehabt – auf San Fernandez?« fragte Causton.
»Nicht während meiner Zeit«, sagte Wyatt. »Den letzten erlebte San Fernandez im Jahre 1910. Er ebnete St. Pierre ein und tötete 6.000 Menschen.«
»Ein Hurrikan in fast sechzig Jahren«, überlegte Causton. »Sagen Sie – ich frage aus persönlichem Interesse –, wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, daß Ihre Freundin Mabel hierherzieht?«
Wyatt lächelte. »Es könnte passieren, aber es ist nicht sehr wahrscheinlich.«
»Hm«, machte Causton. Er sah auf die Wandkarte. »Ich würde aber immer noch sagen, daß Serrurier viel mehr zerstört als einer Ihrer Hurrikane. Wenn man ganz niedrig schätzt, hat er über 20.000 Menschen auf der Insel umgebracht. Ein Hurrikan könnte das kleinere Übel sein, wenn er die Insel von ihm befreite.«
»Möglich«, sagte Wyatt. »Aber das ist nicht mein Gebiet. Ich kümmere mich nicht um Politik.« Er begann wieder von seiner Arbeit zu erzählen, bis er merkte, daß ihr Interesse erlahmte und sie die technischen Dinge ermüdeten. Dann schlug er vor, Mittagspause zu machen.
***
Sie aßen in der Offiziersmesse. Hansen, der mit ihnen verabredet war, kam zu spät und entschuldigte sich. »Tut mir leid, aber ich hatte viel zu tun.« Er setzte sich und sagte zu Wyatt: »Irgend jemand hat Fracksausen – alle unklaren Flugzeuge sind schnellstens startbereit zu machen. Sie haben meine Connie mächtig schnell überholt; ich habe sie heute vormittag am Boden überprüft, und heute nachmittag werde ich sie fliegen, um den neuen Motor zu prüfen.« Er stöhnte in gespieltem Scherz. »Und ich hatte mich schon so auf eine Woche Ruhe gefreut.«
Causton war interessiert. »Ist es etwas Ernstes?«
Hansen zuckte die Schultern. »Würde ich nicht sagen – Brooksie ist nicht besonders nervös.«
»Brooksie?«
»Commodore Brooks – der Stützpunktkommandant.«
Wyatt wandte sich an Julie und fragte leise: »Was hast du für den Rest das Tages vor?«
»Nichts Besonderes – warum?«
»Ich bin müde von der Büroarbeit«, sagte er. »Wie wär's, wenn wir nach St. Michel hinüberführen? Dir gefiel doch der kleine Strand, den wir dort entdeckt haben, und es ist ein schöner Tag zum Baden.«
»Das hört sich gut an«, sagte sie. »Das würde ich gern tun.«
»Wir fahren gleich nach dem Essen los.«
»Was macht Mabel?« fragte Hansen über den Tisch.
»Nichts Besonderes zu berichten«, sagte Wyatt. »Er verhält sich brav. Er ist eben an Grenada vorbeigezogen, wie vorausgesagt. Er ist allerdings etwas schneller geworden; Schelling gefiel das nicht so sehr.«
»Nicht bei der Vorhersage, die er gab.« Hansen nickte. »Aber er wird sich schon abgesichert haben – darauf kann man sich bei ihm verlassen.«
Causton betupfte seine Mundwinkel mit der Serviette. »Um das Thema zu wechseln, hat einer von Ihnen schon einmal von einem Mann namens Favel gehört?«
»Julio Favel?« sagte Hansen. »Der ist doch tot.«
»Ist er das?«
»Serruriers Leute erwischten ihn voriges Jahr oben in den Bergen. Es war ein Rückzugsgefecht – Favel wollte
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