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Sog des Grauens

Titel: Sog des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bagley Desmond
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kommen. Die Plantagen blieben zurück, und an ihre Stelle trat dickes grünes Gestrüpp, das nur ab und zu durch eine Lichtung unterbrochen wurde, in der eine primitive Hütte stand. Einmal kroch eine lange Schlange vor dem langsam fahrenden Wagen durch den Staub, und Julie stieß einen spitzen Schrei aus.
    »Dies ist ein schwaches Abbild von dem, wie es oben in den Bergen aussieht«, bemerkte Wyatt. »Aber es gibt keine Straßen dort oben.«
    Plötzlich hielt er inne und starrte nach einer Hütte neben der Straße. Julie sah auch hin, konnte aber nichts Ungewöhnliches entdecken – es war nur eine der üblichen fensterlosen Hütten aus gestampfter Erde, mit einem unordentlichen Strohdach. Neben der Hütte schlug ein Mann einen Pfahl in den Boden.
    Wyatt sagte: »Entschuldige bitte, Julie, – ich möchte mit dem Mann sprechen.«
    Er stieg aus dem Wagen und ging hinüber zu der Hütte, um sich das Dach anzusehen. Es war von einem Netz aus Tauen aus der heimischen Sisalpflanze überzogen. Von dem Netz hingen längere Taue herunter, von denen drei an in die Erde eingerammten Pfählen festgebunden waren. Er ging zweimal um die Hütte herum und betrachtete dann nachdenklich den Mann, der sein langsames Schlagen mit dem großen Hammer nicht unterbrochen hatte. Seine Worte sorgfältig wählend, in dem barbarischen Französisch, das die Leute hier sprachen, fragte er: »Guter Mann, was tun Sie?«
    Der Mann blickte auf; sein schwarzes Gesicht glänzte von Schweiß. Er war alt, aber wie alt, konnte Wyatt nicht sagen – das war schwierig bei diesen Leuten. Er sah etwa wie siebzig aus, war aber vielleicht erst fünfzig.
    »Blanc, ich mache mein Haus fest.«
    Wyatt zog eine Packung Zigaretten heraus. »Es ist schwere Arbeit, Ihr Haus festzumachen«, sagte er vorsichtig.
    Der Mann setzte den Hammer ab und nahm die Zigarette, die Wyatt ihm anbot. Er beugte sich zum Streichholz herunter, und während er den Rauch tief in seine Lunge einsog, sagte er: »Sehr schwere Arbeit, Blanc, aber sie muß gemacht werden.« Er untersuchte die Zigarette. »Amerikanisch – sehr gut.«
    Wyatt zündete seine eigene Zigarette an und inspizierte die Hütte. »Das Dach darf nicht wegfliegen«, sagte er beipflichtend. »Ein Haus ohne Dach ist wie ein Mann ohne Frau – unvollständig. Haben Sie eine Frau?«
    Der Mann nickte und zog gierig an seiner Zigarette.
    »Ich sehe sie nicht«, bohrte Wyatt weiter.
    Der Mann blies eine Rauchwolke in die Luft und sah Wyatt dann mit blutunterlaufenen braunen Augen an. »Sie ist auf Besuch gegangen, Blanc.«
    »Mit allen Kindern?« fragte Wyatt ruhig.
    »Ja, Blanc.«
    »Und Sie machen das Dach fest. Sie müssen große Angst haben.«
    Der Mann wandte den Blick ab und trat von einem Fuß auf den andern. »Es ist eine Zeit zum Fürchten. Kein Mensch kann dem widerstehen, was kommt.«
    »Der große Wind?« fragte Wyatt leise.
    Der Mann sah überrascht auf. »Natürlich, Blanc, was sonst?« Er schlug die Hände zusammen und warf sie dann in die Luft. »Wenn der große Wind kommt – li tomber boum.«
    Wyatt nickte. »Natürlich. Sie tun gut, das Dach auf Ihrem Haus zu sichern.« Er machte eine Pause. »Woher wissen Sie, daß der Wind kommt?«
    Der Mann scharrte mit bloßen Füßen im Staub und sah zur Seite. »Ich weiß es«, murmelte er. »Ich weiß es.«
    Wyatt wußte, daß es keinen Zweck hatte, in dieser Richtung weiterzufragen – er hatte es schon früher versucht. Er sagte: »Wann kommt der Wind?«
    Der Mann sah nach dem wolkenlosen blauen Himmel, bückte sich dann und hob eine Handvoll Staub auf und ließ ihn durch die Finger rieseln. »Zwei Tage«, sagte er. »Vielleicht drei Tage. Nicht mehr.«
    Wyatt war verblüfft von der Genauigkeit der Vorhersage. Wenn Mabel San Fernandez überhaupt berühren sollte, war es um die angegebene Zeit, aber wie konnte dieser ungebildete alte Mann das wissen? Er sagte ganz sachlich: »Sie haben Ihre Frau mit den Kindern weggeschickt.«
    »Da ist eine Höhle in den Bergen«, sagte der Mann. »Wenn ich hier fertig bin, gehe ich auch.«
    Wyatt sah nach der Hütte. »Wenn Sie gehen, lassen Sie die Tür offen!« sagte er. »Der Wind mag keine geschlossenen Türen.«
    »Natürlich«, stimmte der Mann zu. »Eine geschlossene Tür ist ungastlich.« Er sah Wyatt mit einem humorvollen Augenzwinkern an. »Es kann auch noch ein anderer Wind kommen, Blanc; vielleicht schlimmer als der Hurrikan. Favel kommt von den Bergen herunter.«
    »Aber Favel ist doch tot.«
    Der Mann zuckte mit

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