Sohn der Dunkelheit
«
» Scheiße! « Qhuinn sprang vom Laufband und rannte auf die Tür zu. » Was ist mit ihr? «
» Nein, nein, nichts. Nur eine Kontrolluntersuchung. Das ist alles. « Blay trat zur Seite und machte den Durchgang frei. » Ich dachte nur, das solltest du wissen. «
Qhuinn blieb stehen, wo er war. Skeptisch musterte er Blays Gesicht und kam zu einem beunruhigenden Schluss: Der Typ verbarg etwas vor ihm. Er konnte nicht sagen, woran er das merkte, aber wenn man jemanden seit der Kindheit kannte, lernte man eben, Nuancen zu deuten.
» Alles okay bei dir? « , fragte Qhuinn.
Blay deutete in Richtung Klinik. » Ja, klar. Sie ist gerade im Untersuchungszimmer. «
Okay, offensichtlich war das Thema beendet. Was es auch war.
Qhuinn erwachte wieder zu neuem Leben und joggte durch den Flur. Beinahe wäre er ungebremst zur Tür hineingeplatzt, doch in letzter Sekunde rief er sich zur Ordnung. Untersuchungen an schwangeren Vampirinnen konnten äußerst intime Körperpartien betreffen – und obwohl er mit Layla geschlafen hatte, war ihre Beziehung ganz gewiss nicht so vertraut.
Er klopfte. » Layla? Bist du da drin? «
Es dauerte kurz, dann öffnete Doc Jane. » Hallo, komm rein. Ich bin froh, dass Blay dich gefunden hat. «
Die Miene der Ärztin wirkte unergründlich, was ihn fast in den Wahnsinn trieb. Denn wenn Ärzte auf professionelle Weise freundlich waren, musste man mit dem Schlimmsten rechnen.
Er blickte an Vs Shellan vorbei zu Layla – doch es war Blay, an dem er sich festhielt, indem er seinen Arm packte.
» Kannst du bleiben? « , presste er aus dem Mundwinkel hervor.
Blay schien überrascht, aber er fügte sich der Bitte und ließ die Tür zufallen.
» Was ist los? « , fragte Qhuinn.
Von wegen Kontrolluntersuchung: Laylas Augen waren geweitet und verstört, während ihre fahrigen Hände mit dem offenen, zerzausten Haar spielten.
» Es hat sich eine Veränderung ergeben « , sagte Doc Jane nach kurzem Zögern.
Schweigen.
Qhuinn schrie fast: » Okay, Leute, hört zu: Wenn mir jetzt nicht bald jemand sagt, was los ist, verliere ich den Verstand … «
» Ich bin schwanger « , platzte Layla heraus.
Und was soll daran jetzt neu sein? , fragte Qhuinn sich, und sein Kopf begann zu summen.
» Wie es scheint, ist der Schwangerschaftsabbruch zu einem Ende gekommen « , erklärte Jane. » Doch die Schwangerschaft besteht weiter. «
Qhuinn blinzelte. Dann schüttelte er den Kopf – aber nicht nur ganz leicht, sondern so, als wollte er einen Schneesturm in einer Schneekugel auslösen.
» Das verstehe ich nicht. «
Doc Jane setzte sich auf einen Drehstuhl und öffnete eine Krankenakte auf ihrem Schoß. » Ich habe eine Blutprobe genommen. Es gibt eine Skala von Schwangerschaftshormonen … «
» Ich muss mich übergeben « , unterbrach Layla. » Jetzt … «
Alles stürzte auf die arme Auserwählte zu, doch nur Blay war so schlau, einen Mülleimer mitzubringen, und den benutzte Layla dann.
Während sie würgte, hielt Qhuinn ihr das Haar zurück, ein bisschen wackelig auf den Beinen.
» Es geht ihr nicht gut « , sagte er vorwurfsvoll zur Ärztin.
Jane sah ihn über Laylas Kopf hinweg an. » Das ist normal bei einer Schwangerschaft. Offensichtlich auch bei Vampirinnen … «
» Aber sie blutet … «
» Nicht mehr. Ich habe einen Ultraschall durchgeführt. Dabei konnte ich die Fruchtblase sehen. Die Schwangerschaft besteht … «
» Ach du Scheiße! « , rief Blay.
Erst verstand Qhuinn nicht, warum der Kerl so fluchte. Doch dann bemerkte er zu seinem Erstaunen, dass die Zimmerdecke sich da befand, wo eben noch die Wand gewesen war.
Nein, Moment.
Er verlor das Bewusstsein.
Sein letzter Gedanke war, dass es wirklich cool von Blay war, ihn aufzufangen, als er zu Boden ging wie ein gefällter Baum.
Im Kontext der Sprache gab es weitaus bedeutsamere Worte als das Wörtchen » so « . Es gab ausgefallene Worte, geschichtsträchtige Worte, Worte, die über Leben und Tod entschieden. Es gab vielsilbige Zungenbrecher, auf die man sich vorbereiten musste, bevor man sie aussprach, und Schlüsselbegriffe, die Kriege in Gang setzten oder aufhalten konnten … und sogar lyrische Unsinnigkeiten, die wie eine Symphonie über die Lippen gingen.
Allgemein spielte » so « also nicht in der ersten Liga. Tatsächlich hatte es kaum eine Eigenbedeutung und war im täglichen Dasein nicht mehr als eine Steigerung, ein Beiwerk der Träger eines Satzes.
Doch es gab einen Zusammenhang, in dem diese bescheidenen
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