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Sohn der Unendlichkeit

Sohn der Unendlichkeit

Titel: Sohn der Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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und dieses Schiff würden ein unschlagbares Gespann sein. Langsam trieb eine perlmuttfarbene Wolke über die Sonne. Als der Schatten das Gesicht Amaouris erreichte, blickte sie auf und sah Diomed III. voll in die Augen.
    »Es ist sicher das Zurückschrecken vor der letzten Schwelle, Diomed. Ich würde mit niemandem außer dir darüber reden. Aber – was geschieht jetzt?«
    Er musterte sie nachdenklich und zog seine Schlüsse. Es waren stets dieselben Gedanken, dieselben Assoziationen.
    »Wir sind die Menschen in der Spitze der Pyramide. Wir haben uns von der Basis sehr weit entfernt. Wir sind ganz anders als der Rest der Menschheit, weil wir das Ergebnis der zahllosen Mutationen sind. Ich könnte mit einer der Labortechnikerinnen kein Kind haben, du nicht mit einem Matrosen dieser Schiffe dort.«
    Er deutete auf die schlanken Nadeln, von Gerüsten umgeben.
    »Und die absolute Spitze ist Dorian Variatio. Er wird für diese Aufgabe ausgebildet. Nur er allein ist in der Lage, den Verfall aufzuhalten, im Weltall Völker als zukünftige Erben zu adoptieren. Wir müssen einfach weitermachen, solange wir noch einen Funken Verantwortungsgefühl haben. Du hast recht … es ist das letzte Zurückschrecken.«
    »Warum mache ich es mir eigentlich so schwer?« flüsterte sie.
    Selbst in ihrer Unsicherheit, die nur von kurzer Dauer sein würde, war sie schön, lebendig und daher begehrenswert. Sie besaß nicht die kalte, unpersönliche Schönheit einer Skulptur, sondern die lebendige, sprühende Schönheit einer jungen Frau mit ungewöhnlichen Qualitäten. Und sie war mit Platin oder Diamanten nicht aufzuwiegen, denn sie war die einzige Frau, die Dorian liebte und mit der er Kinder haben konnte.
    »Vermutlich deswegen, weil du denkst!« versicherte Diomed.
    »Du bist Projektleiter«, warf sie ein. »Wie lange haben wir noch Zeit? Wann wird Dorian starten?«
    Er wußte nicht genau, was er an ihr mehr bewundern sollte. Ihre Unbeteiligtheit, die nur scheinbar war, während unter der kühlen und beherrschten Oberfläche das Feuer glühte. Oder ihre Fähigkeit, über außerordentliche Dinge in nebensächlichem Plauderton reden zu können.
    »In etwa drei Monaten«, sagte er leise. »Wir brauchen diese Zeit, damit sich die letzten Erkenntnisse setzen und integrieren werden. Es darf keine Pannen geben.«
    Sie erhob sich in einer gleitenden Bewegung aus der Sitz-schale und ging vor der Tischplatte auf und ab.
    »Ich würde begrüßen, wenn es keine Pannen gäbe!« sagte sie.
    Diomed stand ebenfalls auf.
    »Ich habe heute, nach dem Essen, eine letzte Sitzung mit den Bionomen und den Bionen. Dann weiß ich mehr.«
    Sie lächelte ihn überraschend herzlich an und sagte in vertraulichem Tonfall:
    »Nicht nur du weißt dann mehr. Auch wir, Dorian und ich. Wir sehen uns heute nacht bei Quaiser?«
    »Ich denke schon, daß ich bei La Libra sein werde.«
    Sie nickten sich zu wie zwei alte Verschwörer. Langsam verließ Amaouri den Raum, und Kybernos Diomed III. setzte sich unschlüssig auf die Tischkante. Er war einer aus einem runden Dutzend von Menschen, die eigentlich keine Menschen mehr waren und sich trotzdem für das Gelingen des Projekts verantwortlich fühlten. Sie bildeten einen Teil der Pyramidenspitze. Dadurch hatten sie sich notwendigerweise den übrigen Bewohnern dieses alternden Planeten entfremdet. Diomed riß seinen Blick von dem startfertigen Raumschiff los und sagte leise zu sich:
    »Es ist wirklich ein Glück, daß sich die Entscheidung unausweichlich anbahnt.«
    Er drehte sich halb herum, drückte einen Schalter und sagte:
    »Minty Bonynge, bitte.«
    Der Vermittler summte, dann erschien das schmale Gesicht von Biona x auf dem Bildschirm. Sie hob die Hand und zog fragend die Brauen hoch.
    »Kybernos?«
    »Ich komme hinüber. Wir müssen miteinander sprechen. Ich registriere gewisse Unsicherheiten, die sich lawinenartig steigern können.«
    »Ich erwarte Sie, Kybernos!«
    »Danke.«
    Nur im Tiefschlaf und während ganz seltener Momente der Entspannung gelang es Diomed, zu vergessen, in welches Wagnis sie sich eigentlich gestürzt hatten. Ihr Problem war nicht nur groß – es war das größte und trotz der geringen Aufwendungen das gewaltigste und risikoreichste Unternehmen, das die Erde jemals gestartet hatte. Alles konzentrierte sich auf einen einzigen Menschen, auf Dorian V. Er war der Schlüssel zu allem. Von ihm hing es ab, ob die Erde ihre Kultur weitervererben konnte, oder ob Jahrtausende der Anstrengungen und Irrtümer

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