Sohn der Unendlichkeit
Dorian nicht glauben, was er sah. Eine Welt des Wassers. Gab es hier Intelligenz? Wenn ja, dann hatte er sie als Hydrogenten zu bezeichnen.
Der Wind, der hier von Süden blies, türmte endlose Linien von hohen Wellen auf. Unterhalb der weißen Gischtkämme der Wellen war das Wasser an vielen Stellen seltsam blasig, als ob Gas aus der tiefliegenden Erdrinde sickern und aufwärts perlen würde.
Die Möglichkeit bestand, daß die Intelligenz auf dieser Welt an Pflanzen gebunden war. Dädalos’ Schild hatte nichts darüber ausgesagt. Wochenlang hatten die halbautomatischen Labors der Erde mit Dorian geübt, welche Verhaltensweise ein Kurier einer intelligenten Pflanze gegenüber anzuwenden hatte.
Oder waren die Fische intelligent? Bestand eine Art Verwandtschaft zwischen den irdischen Delphinen – die keine Fische, sondern wasserbewohnende Säugetiere waren – und den hypothetischen Bewohnern Algenes?
Würde er es mit Riesenkraken zu tun haben?
Oder wimmelte diese Welt von Raubfischen und Tieren, die tödliche elektrische Schläge austeilten?
Er lachte kurz.
»Ich bin auf fast alles vorbereitet. Jedenfalls auf alles, was menschliche Phantasie, von Rechenmaschinen unterstützt, sich vorstellen kann!«
Er bewegte prüfend die Zehen, schob seine Hand in den Griff des Kombinationsmessers und ließ sich ins Wasser fallen. Es war angenehm; neunzehn Grad warm. Dann schloß sich der Spalt in der Kugel wieder, das Projektil blieb hundert Meter über dem Wasser stehen. Hier befand sich ein riesiges Riff, das sich in den Umrissen einer gewaltigen Blume mit einem Durchmesser von rund fünfzehn Kilometern nach allen Seiten erstreckte. Kalkbildende Tierchen – also hervorragende Lebensbedingungen, zog man die Erfahrungswerte Terras in Betracht.
»Start!« sagte Dorian laut, holte Luft und tauchte.
Als er nach zwei Sekunden die Augen wieder öffnete, befand er sich in einer ganz anderen Welt.
Zunächst in einer Welt des Schweigens.
Er tauchte, solange sein Sauerstoffvorrat reichte. Dann öffnete er den Mund und näherte sich einer riesigen Algenkolonie, von der aus ein dichter Vorhang von Luftbläschen nach oben stieg. Langsam füllten sich seine Lungen mit Wasser und begannen, den Sauerstoff herauszufiltern. Vorsichtig schwamm Dorian einige Kreise in diesem freien Sauerstoff und paßte seinen Körper an die veränderte Umwelt an. Als er genügend osmotischen Druck spürte und keinerlei Sauerstoffmangel zu merken war, erweiterte er sein akustisches Spektrum. Den Mittelbereich dämpfte er ab. Jetzt hörte er die ganz langsamen Schwingungen ebenso wie die ganz hohen. Es war der Bereich, in dem sich die »Fische« verständigten. Seine Augen überzogen sich mit einem Ölfilm, der aus der Tränendrüse stammte und sich langsam erneuerte. Der Blick wurde klarer, der Druckausgleich wurde hergestellt. Noch immer schwamm er Kreise in dem Meer aus Wasser und Sauerstoffbläschen.
Die gefilterte Strahlung der pelagischen Zone traf auf seinen Rücken. Die Haut entlang der Wirbelsäule hatte sich erweicht, war transparent geworden, und die Nerven wurden empfindlicher. Die Informationen, die durch die veränderten Bedingungen der Haarwurzeln und der auftretenden Kräfte geschaffen wurden, sagten Dorian die Richtung von Wirbeln und die Strömungsgeschwindigkeiten an.
Er stieß schräg nach unten und sah zuerst die phantastischen Bauwerke der Korallen.
In allen Spektralfarben, dachte er.
Vom grellen Weiß bis zum stumpfen Schwarz waren sämtliche normalen Farben vor ihm ausgebreitet. Türme und Barrieren, Stufen und seltsam geschwungene Schnörkel, alles aus Myriaden der strudelnden Tierchen, die auf den abgestorbenen Körpern ihrer Vorgänger aufbauten.
Zuerst orientieren, dann handeln!
Ganz ruhig, um die veränderte Umwelt voll auf sich einwirken zu lassen, schwamm er eine Strecke von vier Kilometern. Er folgte dabei den Windungen in fünfzehn Metern Tiefe, den Treppen und Rampen der vielfarbigen Strukturen. Dann sah er die Pflanzen, die aus runden Nestern wuchsen und ihre Stengel und Blätter mit der geringen Unterwasserströmung treiben ließen. Sämtliche Blätter richteten ihre größten Flächen zur Sonne aus, zum Licht, das schräg durch das Wasser fiel. Das reizvolle Muster der Wellen, von unten betrachtet, würde eine gute Hilfe zum Einschlafen sein, dachte der Taucher.
Am Ende der Strecke hielt er abrupt an und hielt sich an einem weit vorgereckten Korallenast fest. Schräg unter ihm verlief eine schwarze
Weitere Kostenlose Bücher