SO!KIA: Die vergangene Zukunft (German Edition)
ausgleichen können und außerdem zumindest teilweise Schuld an allem Unglück war, hatten die Europäer.
Verdienstausgleich, damit war demnach bestimmt nichts.
Im Augenblick konnte er als einzigen Trost, nach längerem Nachdenken, nur die Möglichkeit, seine Erlebnisse den Fischerkollegen und Kumpeln im Ort mitzuteilen, als für ihn selbst vorteilhaft verrechnen. Aus der Story muss ich was machen , ging ihm der Gedanke durch den Kopf.
Und auf der Waage hatte letztendlich das Negative ein leichtes Übergewicht.
Ein Blick hinüber zum Marineboot. An Deck winkten ihm einige Matrosen zu, die starken Motoren des Schiffes dröhnten auf, während dessen zwei Schrauben die Hecksee wie Milchschaum aufschlugen. Der Steven stieg aus der See, das Marineboot änderte den Kurs.
Genau das hatte Mamoud erwartet.
Die Marine ließ ihn allein.
Und noch immer hatte er keine Antwort auf die Frage, wie, wann und wem er seine Geschichte erzählen konnte und vor allem sollte.
Denn auch eine gute, oder noch besser, wahre Geschichte hatte, wie eine Münze, mindestens zwei Seiten.
Man könnte die Geschichte mit offenem Mund staunend aufsaugen und ihn einen Helden nennen, oder aber, ebenfalls mit offenem Mund, jedoch lauthals lachend, ihn für verrückt erklären, einen Spinner schimpfen.
Und das wäre nicht gut. Überhaupt nicht gut.
Eine halbe Stunde später erreichte sein kleines Boot den Strand nahe des kleinen Fischerhafens.
Und je näher er dem flachen Ufer zwischen den Korallenriffen kam, je mehr gewahrte er eine große Menschenansammlung am Strand und unter den Palmen. Mehr Leute als sonst, wenn ich nach Hause komme. Viel mehr. Und außerdem, alle scheinen nur auf mich zu warten. Was ist los? , dachte er verwundert.
Eine lange Welle ausnutzend und einem Ritt auf deren Kamm, rutschte der Kiel bald darauf über den feinen Muschelsand, eine lange Rinne hinterlassend, welche die nächstfolgende Welle ausradierte.
Viele Hände von Jung und Alt, teilweise bis an die Knie im Wasser watend, halfen an beiden Seiten, das Boot so hoch wie eben möglich aufs Ufer zu schieben.
Mamoud sprang an Land zog und schob aus Leibeskräften dem Singsang der anderen einstimmend mit.
Der Kiel hinterließ weiterhin einen tiefen Einschnitt im Sand, wie von einer Flugschar gezogen, welche auch die Wellen nicht mehr erreichten, die vielen helfenden Füße jedoch genau so zuschoben.
Sandfurche und Fußabdrücke, das war alles, was schließlich zurückblieb.
Die hilfreichen Hände ließen den Bootskörper, eine nach der anderen, los und dieser neigte eine Bootsseite, bis der Sand diesen abstützte.
Mamoud stand nun plötzlich eingekreist von Dutzenden auf ihn einredenden Menschen im immer noch warmen Sand, wusste nicht wohin mit sich selbst.
Eine aus der Menge hervorschnellende Hand ergriff ihn fest am Oberarm, sodass er sein Gesicht unweigerlich in Richtung des vermeintlichen Angreifers lenkte. Doch der Angreifer, so sah er erleichtert, war sein Bruder David, der den Menschenwall von außen aufbrach.
Rettung in höchster Not.
Einige der Leute wichen zurück, andere begannen das Anlanden der Fische aus dem Boot, welche dann im Sand des Strandes auf Palmenzweigen ausgebreitet zum Kauf angeboten wurden.
Die Brüder verschmolzen förmlich in einer festen Umarmung, während Mamoud ihn nahe an seinem rechten Ohr sagen hörte:
„Bruder, Yusuf ist im französischen Marinekrankenhaus. Ihm geht es anscheinend gut. Du aber sollst dich sofort in der Hafenkommandantur bei einem gewissen Kapitän Villeneuv melden.“
„Was wollen die Soldaten von mir? Und wie komme ich da hin?“, gab Mamoud zurück.
Die beiden Brüder beendeten die Umarmung.
David wies mit ausgestrecktem Arm den Strand hinauf bis zur Küstenstraße, auf der Mamoud im Licht der untergehenden Sonne und in den langen Schatten der Palmen einen Militärjeep erkannte, an dem zwei Uniformierte breitbeinig stehend sie beobachteten.
„Die dort oben warten auf dich. Sie werden dich fahren, wie es einem wichtigen Mann zusteht.“
Obwohl Mamoud innerlich noch lange nicht davon überzeugt war, das Richtige zu tun, verließ er an der Seite des Bruders den Ring der noch immer auf Antwort heischenden Menschenhorde, welche aber nebenher schon um den Fang rangelte, stapfte durch den Sand den Militärs entgegen, Teil der Menschenwolke nachschleppend, gleich dem Schweif eines Kometen.
Die Schmetterlinge im Magen machten ihm die Sache nicht leicht, obwohl die beiden Soldatengesichter unter ihren
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