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Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Titel: Solang die Welt noch schläft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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ja nicht, wie gern ich vorbeigeschaut hätte.« Jo seufzte sehnsuchtsvoll. »Genauso gern würde ich losziehen und mir ein Velo kaufen, das Geld dazu besitze ich ja jetzt. Aber ich habe nun einmal so viele wichtigere Dinge zu tun …«
    Wichtigere Dinge, soso. Isabelle nahm einen Hammer in die Hand und wunderte sich, wie schwer er war. Gewichtig eben, so wie scheinbar alles in Jos Leben – ein eigenes Haus, eine Reparaturwerkstatt. Eigene Kunden, eigenes Geld. Ein Lebenstraum. Dagegen waren der Veloverein und ihre Freundschaft natürlich unwichtig. Sie ließ den Hammer grob fallen. Wenn das so war, hätte sie sich ihren Einsatz für die alte Freundin auch sparen können! Obwohl – wenn sie ehrlich war, war Josefines Vereinsbeitritt weniger auf ihre Fürsprache zurückzuführen als auf die von Adrian: In etlichen Einzelgesprächen hatte er Irene und die anderen mühselig davon überzeugt, dass es dem Ansehen des Vereins nur nutzen würde, wenn sie auch »einfache Leute« aufnähmen. Und dass sie sich sowieso nicht ewig dagegen würden sperren können – die Zeiten seien nun einmal so. Bald würden sich auch Mägde, Köchinnen und Kammermädchen ein Velo leisten können. Diesem Gedanken war zwar keine gefolgt, aber da alle Adrian mochten und sie außerdem wussten, dass er sich einst sehr für die Gründung des Damen-Velovereins eingesetzt hatte, hatte der Widerstand gegen Jos Mitgliedschaft nach und nach abgenommen.
    Missmutig verzog Isabelle das Gesicht. Adrian, der gute Mensch. Der Weltverbesserer! Der mit dem Herz für die Schwachen, die Lahmen und die Siechen. Am liebsten würde er jeden Arbeiter in einen Palast stecken und zum König krönen. Nur für sie hatte er kein Herz, denn sonst wäre ihm längst ein Weg eingefallen, um sie beide aus dem ganzen Verlobungsschlamassel herauszuholen.
    Isabelle holte tief Luft. Schluss mit den trüben Gedanken! Irgendwie würde sich schon alles klären. Dass so etwas möglich war, sah man ja an Josefine, die ihnen gerade lang und breit erklärte, welche Werkzeuge sie für welche Arbeiten benötigte. Nie und nimmer würde sie, Isabelle Herrenhus, ihre Tage mit solch öden Arbeiten verbringen wollen. Aber bitte schön – wenn es Josefines Wunsch war …
    Auch Claras Interesse schien nicht sonderlich groß zu sein, da – sie gähnte sogar hinter vorgehaltener Hand! Isabelle grinste, als sich ihre Blicke verschwörerisch trafen.
    Im nächsten Moment – Jo zog gerade eine weitere Feile aus ihrem Werkzeugkasten – klatschte Clara wie ein Kind in die Hände. »Ich brenne darauf, dein Haus zu sehen, also lass uns hineingehen! Dein eigenes kleines Nest – ach Josefine, wer hätte das gedacht?« Schon hakte sie sich bei Jo unter, und Arm in Arm spazierten sie ins Haus.
    Isabelle trottete schmunzelnd hinterher. Doch das Lachen verging ihr sogleich wieder, kaum dass sie im Haus waren.
    »Das gibt’s doch nicht. Es sieht ja noch aus wie früher!«, sagte sie entsetzt.
    Jo nickte stolz. »Ich möchte Friedas Andenken hochhalten, deshalb habe ich nichts verändert. Lediglich ihre Bilder habe ich aufgehängt. Gefallen sie euch?«
    »Sie sind sehr bunt«, sagte Clara höflich.
    Mit spitzen Fingern fuhr Isabelle über den rauen, teilweise schon brüchigen Stoff des alten Sofas. »An deiner Stelle würde ich das ganze alte Gerümpel verkaufen. Am Ende hast du noch Flöhe hier drinnen!« Abrupt trat sie einen Schritt von dem Sofa fort. Flöhe – so abwegig erschien ihr der Gedanke gar nicht.
    »Du übertreibst, Isa«, antwortete Jo lachend. »Ich finde alles schön, wie es ist, und zum Glück redet mir niemand in solche Dinge hinein. Ist das nicht wunderbar?« Beifallheischend schaute sie ihre Freundinnen an. »Ich kann zum ersten Mal in meinem Leben tun und lassen, was ich will. Jetzt bin ich wirklich unabhängig.«
    »Aber … es liegt nicht in der Natur der Frau, unabhängig zu sein«, erwiderte Clara stirnrunzelnd. »Eine Frau braucht einen starken Mann an ihrer Seite. Ich für meine Fälle bin froh, dass Gerhard mir so viele Entscheidungen abnimmt. Allein wüsste ich manchmal weder ein noch aus. Das geht dir doch mit deinem Adrian bestimmt genauso?«
    Es dauerte einen Moment, bis Isabelle begriff, dass Clara sie angesprochen hatte.
    »Nein, das trifft auf mich nicht zu«, antwortete sie kurz angebunden. Als ob sie sich von Adrian etwas sagen lassen würde! Wie kam Clara nur auf solch einen abstrusen Gedanken? Es reichte schon, dass ihr Vater ihr in allem Vorschriften

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