Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Titel: Solang die Welt noch schläft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
Vom Netzwerk:
Brot und machte sich sogleich an die Arbeit. Ausgehungert und unkonzentriert, riss sie sich gegen Mittag ihre Hand an einer Säge so ungeschickt auf, dass sie heftig zu bluten begann. Sie verband die Wunde mit ein paar Lappen und kümmerte sich nicht weiter darum.
    Am Ende des zweiten Tages war sie einigermaßen zufrieden mit ihrem Werk. Spät am Abend reparierte sie den Fleischwolf vom Metzger Ammann – mit den Werkzeugen von Friedas Mann und dem Wissen, das sie bei Gerd Melchior erworben hatte, war das für sie ein Kinderspiel.
    Als es am dritten Tag klopfte und Gerd Melchior höchstpersönlich vor der Tür stand, glaubte Josefine im ersten Moment, einen Geist zu sehen.
    »Wat kiekste so erschrocken? Du hast mich doch jerufen«, sagte Melchior verwirrt.
    Jo lachte – vor lauter Betriebsamkeit hatte sie den Brief, in dem sie ihn um Unterstützung gebeten hatte, vergessen!
    Mit Hilfe des versierten Hausmeisters war die restliche Arbeit schnell getan. Er schlug eine noch bessere Unterbringung der Werkzeuge vor, und gemeinsam verfassten sie eine Liste von Werkzeugen und Materialien, die Josefine noch kaufen musste. Nur als er Friedas Handarbeitskorb auf der Werkbank prangen sah, stutzte er.
    »Altes Erinnerungsstück, wa? Schade, ick hätte die alte Dame ooch jerne kennenjelernt. Melde dich, wenn du wat brauchst! Ick helf dir immer jern«, sagte Gerd Melchior und klopfte Jo zum Abschied kameradschaftlich auf die Schulter.
    Der Samstagabend war lau, die Luft trug schon die süße Milde des nahen Sommers herbei. Mit einem Glas Himbeersaft setzte Jo sich auf die Bank, die an der Hausrückwand lehnte. Sogleich sprang die Katze zu ihr hoch. Die Holzbretter hatten die Wärme der Maisonne gespeichert. Mit einem genüsslichen Seufzen lehnte Josefine ihren von der vielen Schlepperei schmerzenden Rücken dagegen. Eigentlich dürfte sie gar nicht hier sitzen, sondern müsste sich um den Garten kümmern, dachte sie und betrachtete mit wehem Herzen das immer stärker wuchernde Unkraut. Aber der Garten würde warten müssen – alles auf einmal ging nicht.
    Sie konnte zufrieden sein mit ihrer ersten Woche, denn sie hatte viel erreicht. Sehr viel. Sogar bei ihren Eltern hatte sie vorbeigeschaut und ihre Schulden vollständig getilgt. Den verdutzten Gesichtsausdruck ihres Vaters würde sie so schnell nicht vergessen!
    Nun war sie so erschöpft wie noch nie in ihrem Leben. Aber auch mindestens so zufrieden.
    Genussvoll trank Jo von ihrem Saft. Morgen wollten Clara und Isabelle vorbeikommen. Jo konnte es kaum erwarten, den Freundinnen ihr Werk zu zeigen. Aber noch sehnlicher wünschte sie sich den Montag herbei. Denn dann würde es endlich richtig losgehen!

    »Und – was sagt ihr dazu?« Mit verschränkten Armen und erwartungsvollem Blick stand Josefine da.
    »Es ist wunderschön geworden«, hauchte Clara mit in den Nacken gelegtem Kopf.
    Auch Isabelle betrachtete das riesige Emailleschild, das Josefine über ihrer Werkstatt angebracht hatte – man konnte es schon von weitem lesen. »Reparaturen aller Art – Velos willkommen« stand in blauen Lettern auf weißem Untergrund. Um den Schriftzug rankte sich allerlei stilisiertes Werkzeug wie Hämmer, Zangen und Meißel. Es war ein Schild – was sollte sie dazu schon sagen?
    »Dass du dir das zutraust«, sagte Clara leise.
    Josefine zuckte mit den Schultern. »Ich hab mein Handwerk gelernt, das wird schon werden.«
    Isabelle runzelte die Stirn. Wie zuversichtlich Jo klang! Wie selbstbewusst. »Und was, wenn die Kunden ausbleiben? Vielleicht trauen sie dir das nicht zu. Immerhin bist du nur eine Frau. Was machst du dann?«, fragte sie mit leicht kratziger Stimme.
    Doch Jo lachte nur. »Dann gehe ich eben auf Kundenfang! Außerdem hoffe ich, dass ich die Damen und Herren des Velovereins bald zu meiner Kundschaft zählen darf. Ein guter Mechaniker fehlt euch doch.«
    »Deine Kunden sollen wir also werden, aha. Wie wäre es dann, wenn du uns vorab einmal mit deiner Anwesenheit beehren würdest? Die anderen finden es ziemlich seltsam, dass du seit deiner Aufnahme in den Verein noch kein einziges Mal bei uns warst. Manch eine fragt sich, ob die Zustimmung zu deiner Mitgliedschaft nicht doch ein Fehler war«, sagte Isabelle pikiert. Die Wahrheit lautete, dass sich außer Irene dies niemand fragte – dazu waren alle viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Aber das brauchte Josefine ja nicht zu wissen. Sie sollte ruhig ein schlechtes Gewissen bekommen!
    »Ach Isabelle, du glaubst

Weitere Kostenlose Bücher