Solang die Welt noch schläft (German Edition)
machte, da brauchte sie nicht auch noch einen Verlobten, der dasselbe tat.
»Isabelle und Adrian sind ja bisher auch nur verlobt und nicht verheiratet«, sagte Josefine mit einem so seltsamen Unterton, dass er Isabelle auffahren ließ: »Was willst du damit sagen? Dass das nichts zählt? Eine Verlobung ist immerhin ein Eheversprechen.« Und das wollte ihr Vater endlich eingelöst sehen. Eine Hochzeit noch in diesem Jahr – es verging kaum ein Tag, an dem er sie damit nicht bedrängte. Und ihr fiel nichts mehr ein, womit sie ihn länger hinhalten konnte. Krankheiten, geschäftliche Krisen im Konzern von Adrians Vater, eine längere Auslandsreise von Adrian – all das hatten sie schon gehabt.
»Schon gut.« Abwehrend hob Jo beide Hände in die Höhe, dann zeigte sie in Richtung Herd. »Wie wäre es, wollen wir uns etwas Feines kochen? Ich habe Gemüse da und ein Stück Fleisch. Eine kräftige Suppe – darauf hätte ich Appetit.«
»Wir sollen Suppe kochen?« Entgeistert starrte Isabelle ihre Freundin an. Eine gekühlte Flasche Sekt, ein paar Häppchen oder wenigstens eine Torte zur Einweihung – das war das Mindeste, was sie zu einem solchen Ereignis erwartet hätte!
Doch Clara hatte sich schon ein Messer geschnappt und angefangen, Möhren zu schälen. »Dass wir drei einmal gemeinsam etwas kochen würden, wer hätte das gedacht? Das wird ein Spaß!«
Unschlüssig stand Isabelle immer noch mitten im Raum. Spaß? Sie würde einen Teufel tun!
»Du kannst uns auch gern zuschauen«, sagte Josefine und wies auf die Küchenbank. »Obwohl – deinem Adrian würde es bestimmt auch gefallen, wenn du ein ordentliches Mahl zustande brächtest.«
»Er ist nicht mein Adrian«, lag es Isabelle schon auf der Zunge zu sagen. Stattdessen bemerkte sie hochmütig: »Mit derlei niedrigen Tätigkeiten muss ich mich nicht abgeben. Dafür haben wir Personal.« Sie versetzte der Katze, die es sich in der Mitte der Eckbank gemütlich gemacht hatte, einen kleinen Schubs. Statt Platz zu machen, fauchte das Vieh sie an. Isabelle setzte sich auf einen Stuhl.
»Sobald die Praxis noch besser läuft und wir unsere Schulden abbezahlt haben, soll ich auch ein Dienstmädchen bekommen. Gerhard sieht es gar nicht gern, wenn ich so viel arbeite. Eine Dame sollte repräsentieren und gesellschaftlichen Verpflichtungen nachkommen. Und sie sollte täglich über ein gutes Maß an Müßiggang verfügen, alles andere sei wider die Natur, sagt mein Gerhard. Und erst recht in meinem Zustand.« Clara strich leise seufzend über die leichte Wölbung ihres Bauches, dann ließ sie die Möhren in die kochende Brühe fallen.
Seltsam, dass die Freundin bisher noch nicht über ihre Schwangerschaft gesprochen hatte, dachte Isabelle. Das erste Kind unter dem Herzen – war das nicht ein besonderer Moment im Leben einer Frau? Clara jedoch schien nicht sonderlich glücklich über ihren Zustand zu sein.
»Das erste Kind … Du bist doch bestimmt ganz verrückt vor Freude?«
Clara zuckte unglücklich mit den Schultern. »Gerhard wäre es lieber gewesen, ich hätte ihm noch ein Weilchen länger als Hilfe in der Praxis zur Verfügung gestanden.«
Josefine lachte. »Dann hätte er halt besser aufpassen müssen. Er als Arzt müsste doch am besten wissen, wie Kinder gemacht werden, oder?«
Isabelle und Clara fielen in ihr Lachen ein, doch der unglückliche Ausdruck auf Claras Gesicht verschwand dabei nicht. Mit geübter Hand hackte sie nun die frischen Kräuter, die Jo aus dem Garten geholt hatte. »Ich arbeite gern! Schon damals in der Apotheke hat mir hartes Arbeiten nichts ausgemacht. Und wenn das Kind da ist und ich mich von der Geburt erholt habe, werde ich damit fortfahren. Ganz gleich, was Gerhard sagt«, ergänzte sie trotzig.
Jo nickte zustimmend. »Je mehr Arbeit, desto besser!«
Wie schön, dass ihr euch da einig seid, dachte Isabelle. Da Josefine gegen ihre Spitzen heute immun zu sein schien, ging sie zur Abwechslung auf Clara los. »Dein Herr Doktor hat anscheinend eine ziemlich genaue Vorstellung davon, was wider die weibliche Natur ist. Ist er zum Beispiel immer noch so gegen das Damen-Velofahren eingestellt?«
Zu ihrer Genugtuung zuckte Clara sichtlich zusammen. »Darüber haben wir schon lange nicht mehr gesprochen«, antwortete sie gedehnt. »Aber Gerhard hat völlig recht!«, fügte sie sogleich heftig hinzu. »Ihr müsstet mal sehen, wie viele Velounfälle zu uns in die Praxis kommen – gebrochene Beine, gebrochene Handgelenke,
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