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Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Titel: Solang die Welt noch schläft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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den Schränken türmte sich all dies und noch viel mehr. Zum Stricken würde sie in nächster Zeit gewiss nicht kommen, schmunzelte Josefine und wollte den Korb mit den Wollresten schon ins Feuer werfen. Im nächsten Moment hielt sie abrupt inne – vielleicht konnte sie die Wolle doch noch für irgendetwas gebrauchen. Außerdem roch brennende Wolle ekelhaft.
    Die Stoffreste würde sie als Putzlumpen in der Werkstatt verwenden, beschloss sie als Nächstes. Und die Zeitungen … vielleicht sollte sie die lesen, um zu erfahren, was sie in den vergangenen Jahren verpasst hatte? Josefine hievte einen Stapel Zeitungen auf den kleinen Tisch vor dem Sofa, und prompt fiel eine davon auf den Boden. Die Seiten waren löchrig wie ein Schweizer Käse. Mal fehlte ein großes Viereck im Text, mal das ganze obere Drittel einer Seite, ein anderes Mal die Werbeanzeigen am Rand. Josefine lachte. Wie hatte sie Friedas Angewohnheit, eine Zeitung mit der Schere in der Hand zu lesen, vergessen können? Diese Zeitungen vermochte sie bestimmt nicht mehr zu lesen! Aber gutes Anzündmaterial für den Ofen würden sie immer noch abgeben.
    Nach getaner Arbeit schaute sich Josefine kritisch um. Eigentlich wollte sie die Einrichtung so lassen, wie sie war. Neue Möbel brauchte sie nicht, Friedas altes, bequemes Sofa und ihr massives Bett waren für sie gut genug. Warum hatte sie dennoch das Gefühl, dass etwas fehlte?
    Einer plötzlichen Eingebung folgend, schob Jo den Küchentisch ein Stück von der Wand fort. Fast verschämt hatte Frieda ihre selbstgemalten Ölbilder hinter dem Tisch an die Wand gelehnt, und zwar so, dass nur die Leinwandrücken zu sehen waren. Nun befreite Josefine ein Bild nach dem anderen aus seinem stiefkindlichen Dasein. Eine Vase, gefüllt mit blauem Rittersporn, kam zum Vorschein. Dann eine einzelne Blüte, gemalt in den Farben Hellrosa bis Tiefviolett, umrankt von dunkelgrünem Laub – Jo kannte ihren Namen nicht, wusste aber, dass solche Blumen im Hochsommer ganz hinten in Friedas Garten wuchsen. Eine Ranke von wildem Wein, über die eine silbrig glänzende Schnecke kroch. Ein paar Landschaftsbilder – war das die Spree? Und hier! Das Brandenburger Tor und dahinter die untergehende Sonne.
    Fasziniert schaute Josefine auf ihre Ausbeute. Die Bilder waren wunderschön! Warum nur hatte Frieda sie nie aufgehängt?
    Resolut stapfte Jo in die Werkstatt und freute sich an der Selbstverständlichkeit, mit der sie dies tat. Mit Hammer und Nägeln kam sie zurück und machte sich ans Werk.
    Genau das hatte noch gefehlt, dachte sie erfreut, als sie nach einer halben Stunde zufrieden ihr Werk betrachtete. Alles wirkte so farbig, frisch und schön! Sie hatte dem Haus eine eigene Note verliehen, ohne dabei Friedas Geist zu zerstören. Ganz im Gegenteil, er schwebte mehr denn je durch die Räume.
    Nach einer unruhigen, kurzen Nacht, in der Friedas Katze ihr immer wieder das Bett streitig machen wollte, war Josefine schon im Morgengrauen wieder auf den Beinen.
    »Josefine? Josefine Schmied?« Die Augen der Bäckersfrau waren so kugelrund wie die Rosinenbrötchen, die duftend in einem Korb auf der Theke standen. Ungläubig schaute sie Jo über die Ladentheke hinweg an. »Bist du’s wirklich? Ich dachte, du …«
    Josefine lächelte schräg. »Lebenslänglich hab ich damals ja Gott sei Dank nicht bekommen … Und nun hätte ich gern vier Schrippen und einen Laib Schwarzbrot.«
    Die Bäckersfrau winkte ab. »War ja eh bloß ein Dummer-Jungen-Streich! Und dafür so eine lange Haftstrafe, völlig überzogen fanden das alle hier in der Straße. Und dass der Herrenhus wegen so etwas überhaupt zur Polizei gegangen ist … Hätte er doch besser auf seine Sachen aufpassen sollen! Und dann so eine harte Strafe … Als ob wir nicht alle einmal jung und dumm gewesen wären.« Einen Moment lang bekam ihr Gesicht einen verträumten Ausdruck. Dann sagte sie geschäftig: »Noch ein Stück vom Streuselkuchen? Er ist noch warm …«
    »Gern«, sagte Josefine und fügte hinzu: »Ich wohne jetzt übrigens in Friedas Haus. Sie hat es mir vermacht.« Besser, die Leute wussten vom ersten Tag an Bescheid. Dann würde sich das Gerede vielleicht in Grenzen halten.
    »Frieda hat … was?« Die Brottüte noch in der Hand, erstarrte die Frau wie zur Salzsäule. »Wenn das die Leute erfahren«, murmelte sie vor sich hin, und es war ihr anzusehen, dass sie es kaum abwarten konnte, ihr Wissen weiterzutragen.
    Lächelnd legte Josefine ein paar Pfennige auf

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