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Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Titel: Solang die Welt noch schläft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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langen Route konnte Adrian sein Crescent Bike auf Herz und Nieren testen. Und von Indiana aus würde er dann mit der Eisenbahn bequem nach New York City fahren. Ein guter Plan, entschied Adrian, so und nicht anders wollte er es machen.
    Noch am selben Abend marschierte er ins nächste Telegrafenamt, wo er dem Beamten, der ausgerechnet kein Deutscher war, mühevoll folgenden Text diktierte:
    Alles gut. Auftrag erfolgreich erledigt. Freue mich auf zu Hause und auf die Zukunft. Adrian.
    Empfänger war eine Miss Josefine Schmied, Görlitzer Straße 27, Berlin, Germany.
    Ratlos blieb Adrian neben seinem Rad stehen. Schon vor einer Stunde war er an einem Baum vorbeigekommen, an den ein roh gezimmertes Schild mit der Aufschrift »Indiana, 12 miles«, genagelt war. Er war dem Schild gefolgt, eigentlich hätte er die große Stadt längst erreichen müssen! Wann und wo war ihm ein Fehler unterlaufen? Müde von der Fahrt im dauernden Gegenwind, fuhr er weiter.
    Zugegeben, er war nicht ganz bei der Sache gewesen, vielleicht hatte er irgendwo einen Abzweig übersehen. Seit er Chicago verlassen hatte, fiel es ihm schwer, sich auf die Straße zu konzentrieren, zu vieles ging ihm im Kopf herum. Hauptsächlich waren es Fahrräder.
    Zurück in Berlin, würde er als Allererstes nach geeigneten Räumlichkeiten für sein Unternehmen suchen. Eine große Halle musste es schon sein, besser noch ein ganzes Fabrikgelände mit angeschlossener Villa. Irgendwo mussten Josefine und er ja wohnen. Eine gewisse Nähe zum Geschäft war da nur von Vorteil, so würden sie allmorgendlich weniger Zeit mit dem Weg zur Arbeit vertun.
    Adrians Tagträume verschwanden in dem Maß, in dem sich die Nacht herabsenkte. Bald konnte er die Straße vor sich nur noch schemenhaft erkennen – von den Lichtern einer Stadt war jedoch weit und breit noch immer nichts zu sehen. Seltsam, die Scheune dort vorn – kam die ihm nicht bekannt vor? Allmählich hatte er das Gefühl, im Kreis zu fahren.
    Adrian zündete seine Laterne an. Seine Sinne waren nun geschärfter als den ganzen Tag über, jedes Geräusch in den Büschen neben der Straße schreckte ihn auf. Sein Atem ging schneller. Er kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können. Der Weg wurde etwas breiter, machte eine Kurve, in der Ferne war ein Bauernhaus zu erkennen, vielleicht war es auch nur eine Ruine, wie so viele, die er passiert hatte. Wenn sich ein Stück Land als wenig fruchtbar erwies, packte mancher Eigentümer seine Siebensachen und ließ sein Zuhause für immer zurück, das hatte Adrian inzwischen gelernt. Er schrak zusammen, als hinter ihm ein Rascheln ertönte. Doch als er sich umschaute, sah er nichts. Mach dich nicht verrückt!, schalt er sich und trat schneller in die Pedale. Vielleicht würde er nach der kleinen Waldlichtung dort vorn –
    Es waren drei an der Zahl, üble Burschen mit rohen Mienen, zerlumpter Kleidung und einem Gebaren, das besagte, dass sie nichts zu verlieren hatten. Zwei der Kerle sprangen aus dem stacheligen Gebüsch auf die Straße und stellten sich Adrian in den Weg. Der dritte baute sich hinter ihm auf – es gab kein Vor und kein Zurück. Adrian war eingekreist.
    »Money, watch – give me everything you have!« Einer der Männer fuchtelte mit seiner Flinte vor seinem Gesicht herum.
    Ohne zu zögern, zerrte Adrian seine Armbanduhr vom Handgelenk. Der Anführer der Räuberbande wies den zweiten Mann an, Adrian die Uhr abzunehmen und ihm zu geben.
    Mit klopfendem Herzen beobachtete Adrian die Szene. Die Männer rochen ungewaschen und nach Whiskey. O Gott …
    Der Anführer befühlte das lappig gewordene Lederarmband. »Not good!«, befand er. »Gold! Give me your gold watch!«
    »Ich habe keine Golduhr, sorry!«, erwiderte Adrian. »Hier, mein Geld, my money …« Mit zitternder Hand zog er sein Portemonnaie aus der Tasche, in einer gleichsam mutigen wie abfälligen Geste warf er es den Männern vor die Füße. Viel Geld war nicht darin, sollten sie es doch haben! In Indiana würde er sich per Bankanweisung neues Geld aus Deutschland kommen lassen, das hatte in Chicago schließlich auch geklappt.
    Der Mann, der ihm die Uhr abgenommen hatte, bückte sich, um den Geldbeutel aufzuheben. Die beiden anderen lachten und sagten etwas in einem Slang, den Adrian nicht verstand.
    Jetzt oder nie! Adrian nutzte den Moment, in dem sich die Männer mit seinem Geldbeutel beschäftigten, zur Flucht. Wie besinnungslos trat er in die Pedale und fuhr los. Fort, nur fort von

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