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Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Solang die Welt noch schläft (German Edition)

Titel: Solang die Welt noch schläft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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geeignet wäre für dieses Unterfangen.«
    »Ich weiß, wen du meinst«, kam es aufgekratzt von Isabelle. Spontan fiel sie Jo um den Hals und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. »Was für eine gute Idee!«
    Auf ein Zeichen von Irene hin begann der Wirt der Vereinsgaststätte, Sektgläser auszuteilen. Als alle ein Glas in der Hand hielten, rief Susanne: »Auf unser großes Abenteuer!«
    »Auf tausend Kilometer quer durch Dänemark!«, rief Charles Hansen.
    »Auf uns!«, ergänzte Leon.
    Glücklich nahm Josefine einen Schluck Sekt. Die feinen Bläschen prickelten angenehm auf ihrer Zunge. Wer hätte gedacht, dass der angekündigte Vortrag solch weitreichende Auswirkungen haben würde?

28. Kapitel
    Wege, die aus nichts bestanden als aus schlüpfrigem Lehm, der sich in straußeneiergroßen Dreckklumpen in die Speichen setzte, diese verklebte und die Reifen bis zum Stillstand abbremste.
    Die Prärie, in der sein Rad so tief in den Sand einsank, dass ihm nichts anderes übrigblieb, als es über Kilometer hinweg zu schieben.
    Ausgedörrte Landschaften, in denen nichts wuchs als stacheliges Dornenzeugs. An einem Tag hatte er seinen Vorderreifen drei Mal flicken müssen, weil nadelspitze Dornen darin steckten.
    Tiefe Schluchten, in die kaum Sonnenlicht drang und in denen die Fahrgeräusche auf dem knirschenden Kiesbett eines ausgetrockneten Flusses als unheilvolles Echo von den nackten Felswänden zurückgeworfen wurden.
    Straßen, auf denen sich menschlicher Unrat und Knochengerippe überfahrener Tiere türmten; Straßen, auf denen Bauabfälle wie meterlange Dachrinnen, zerschlagene Backsteine und zertrümmerte Glasfenster nur ein Zickzackfahren erlaubten.
    Ein paar Kilometer nach einer Stadt verlor sich die Straße – meist hieß sie Main Street, dabei gab es gar keine anderen – im Nichts. Die Eisenbahn, das schwarze, Rauch spuckende Monstrum, durchquerte auf einem Schienennetz von Abertausenden von Kilometern das riesige Land. Wer in Amerika von A nach B wollte, wählte diese Fortbewegungsart – der Straßenbau hingegen hinkte weit hinter dem in Europa her. Oft war Adrian nichts anderes übriggeblieben, als auf den Bahndämmen zu fahren und zu hoffen, dass er schnell genug war, um herannahenden Zügen auszuweichen.
    Streunende Hunde in der Nähe von Farmen, Rudel hungriger Kojoten auf dem Land – ohne den beherzten Einsatz seiner Hundepeitsche wäre er nicht nur verfolgt und umkreist, sondern bestimmt auch angegriffen worden.
    Rund um Pittsburgh war die Luft schwarz gewesen vor lauter Kohlestaub, das Durchatmen hatte in der Lunge gebrannt, der Schmutz sich in seinen Augen und in jeder Pore festgesetzt. Kurz vor Cleveland dann eine Heuschreckenplage. Wieder war die Luft schwarz gewesen, diesmal vor zirpenden, urzeitmäßig aussehenden Viechern, die gierig alles kahlfraßen. Adrian war schnell weitergeradelt – um den Tieren zu entkommen, aber auch den entsetzten Blicken der Bauern, deren Arbeit eines ganzen Jahres binnen weniger Stunden vernichtet worden war.
    Einmal war er in einen Waldbrand geraten. Er hatte in die Pedale getreten wie noch nie in seinem Leben. In letzter Minute war er der Feuerwalze ausgewichen. Noch Tage danach war seine Haut schmerzhaft geschwollen von der Hitze des Feuers.
    Die Wochen von Mai bis Anfang September hatte er für die Fahrt von Boston nach Chicago benötigt. Zum großen Glück war er gesund geblieben und hatte, von kleinen Pannen abgesehen, keinen größeren Unfall gehabt.
    Er hatte Amerikaner kennengelernt, die sich gegenseitig mit Freundlichkeit überboten. Städte und Dörfer, in denen er binnen kürzester Zeit von einer Menschentraube umringt gewesen war, die alles wissen wollte über seine große Reise. Er war zu Bier eingeladen worden, zu einem unglaublich scharfen Bohneneintopf und zu gut gewürzten Steaks, die auf offenem Feuer gegrillt worden waren.
    Und er hatte Amerikaner getroffen, die ihm ihre Hunde auf den Hals hetzten. Ein Farmer hatte sogar seine Flinte auf ihn angesetzt und drohend gegrummelt: »Get off my land, man!« Adrian war der Aufforderung nur zu gern gefolgt. Doch gefährlicher als bei diesem Zwischenfall war es nie geworden.
    Amerika. Was für ein riesengroßes, verrücktes Land!
    Nun, nach fast zweitausend gefahrenen Kilometern, lag der Lake Michigan blau glänzend im kalten Novemberlicht vor ihm. An seinem Ufer breitete Chicago mit den vielgeschossigen, in den Himmel ragenden Häusern seine Flügel aus. Zwischen den Hochhäusern erstreckten sich

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